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Brigittes Klasse Treffen

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 25. Mai
  • 3 Min. Lesezeit
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Brigitte reißt Briefe immer schon im Hausflur auf, berufsbedingte Neugier treibt sie auch nach etlichen Dienstjahren dazu. Eine Rechnung der Stadtwerke, zweimal Werbung obwohl ein Sticker am Briefkasten genau das verhindern soll und eben diesen einen Brief. Wie sich schnell rausstellt, geht es um 40 Jahre Abschluss der mittleren Reife oder der 10 klassigen allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. „Hieß das wirklich so?“ fragt sich Brigitte halblaut in das schallende Treppenhaus als Sie den Briefumschlag ohne Sichtfenster auf der zweiten Treppenstufe nach oben öffnete und den Inhalt im gehen, vielmehr steigen, studierte. Gewundert hatte sie sich schon über den in weit ausladenden Buchstaben geschriebenen Absender. „Christina Koslowski, Straße der DSF 4 , Bergen auf Rügen“.

Im ersten Moment dachte Brigitte an einen schlechten Witz. Sie kennt weder eine Koslowski noch glaubt sie ernsthaft, dass es , grade in der jetzigen Zeit, noch eine Straße der Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft gibt, unfassbar. Und auf Rügen? Egal erstmal lesen.

Schnell wird klar, dass was sie in den Händen hält, eine Einladung für ein Jahrgangsstufentreffen ist. Und jetzt fällt auch bei Brigitte der Groschen, Cristina Koslowski ist die Christa Müller aus der zweiten Bank am Fenster, mit der blondierten Dauerwelle und scheiblettengroßen Brillengläsern welche immer Prismenlichtstreifen auf ihrer Haut zauberten. Die wird wohl geheiratet haben und Herr Koslowski wird wohl Rüganer sein oder so ähnlich!

Ein richtiger Brief… ein bisschen unpersönlich formuliert aber wie wunderbar altmodisch. Ist das auch zielführend? Und woher hat Sie meine Adresse? Bei Google gibt es mich zwar, aber nur mit allen dienstlichen Fakten.

Als Termin ist der 19.09. vorgesehen, da sollten wieder alle mit schulpflichtigen Kindern aus Ferien zurück sein, hofft man. Eigentlich überfällt das Thema Brigitte vollkommen. Hat sie doch schon ewig nicht mehr an ihre alten Schulbankdrücker gedacht und wenn die einen oder anderen in der Vergangenheit aufgetaucht sind, war das nicht immer ein bedingungsloser Grund zur Freude. Siehe zum Beispiel: https://www.planetgeorg.de/post/na-bitte-brigitte-krimi-in-acht-teilen oder https://www.planetgeorg.de/post/brigitte-hartling-heldin-wider-willen


Aber das ist alles Schnee von gestern und Brigitte ist viel zu sehr mit dem Hier und Jetzt beschäftigt, als dass sie nachtragend ist. Freilich ist sie trotzdem ein Elefant, zumindest was das Gehirn betrifft oder das Erinnerungsvermögen angeht. Und wenn sie sich die Zeit der ausgehenden Achtzigerjahre Jahre wieder ins Gehirn ruft, kommen von der Haartracht und modischen Katastrophen abgesehen schon einige Gründe zu Tage, die für ein solches Wiedersehen sprechen könnten.

Noch bevor Brigitte den Wohnungsschlüssel ins Schloss steckt sieht sie sich mit wassergewelltem Haupthaar in Stonewashed Jeans und hellem durchscheinendem Blousonjäckchen, welches weder gewärmt hat noch trocken hielt, sondern einfach nur aussah! Ihr Gehirn spielt mit Cindy Lauper, den Rainbirds und Madonna den entsprechenden Soundtrack des Sommers ein und es hätte sie selbst am wenigsten überrascht, wenn sie durch die Wohnungstür jetzt nicht in ihre Wohnung sondern wie auf einem Zeitstrahl gereist, in die damalige elterliche Wohnung Eintritt gefunden hätte.

Aber nein, solch Abweichungen von der Norm sind eher untypisch für Brigitte. In ihren wohl geordneten rationalen vier Wänden ist wenig zufällig oder inspiriert gar zum Träumen oder dem nachhängen der Zeit. Die meisten Oberflächen sind abwaschbar, unifarbene Möbel, praktische Details sind wichtiger als gemütliche Unordnung. Einigermaßen überrascht von diesem warmen Gefühl der Jugend welches sich nun in ihr Bahn bricht, ist sie sich sehr sicher, im September auf die größte deutsche Insel zu reisen. Dort betreibt die Familie Koslowski eine Ferienanlage und ist somit die Gast- und Rahmengeber für diese Zusammenkunft. Koslowski, wahrscheinlich altes verarmtes Adelsgeschlecht und typischer Vorpommernname, wer glaubt denn daran?  Da sie selbst nicht zur Aufschieberitis neigt und alles lieber unverzüglich erledigt wissen möchte, kramt sie noch am selben Abend ein altmodisch anmutenden Block mit Briefpapier hervor, den sie eigentlich schon längst entsorgen wollte hervor und beginnt mit einer Antwort.


„Hallo Christa,

Verdammt lang her, dass wir gesprochen haben. Verdammt lang her, dass ich ein Brief geschrieben hab. Verdammt lang her, dass ich an euch gedacht hab.“ Auch ohne Kölner Mundart klingt das fast ein bisschen poetisch oder kitschig, findet Brigitte. „Ich werde pünktlich sein und freue mich auf möglichst viele der ehemaligen Mitschüler.  Im normalen Leben komme ich gut auch ohne solch Schnickschnack aus. Aber schon allein weil du Christa dir wahrscheinlich so unendlich viel Zeit und Mühe beim zusammenführen der rund fünfzig Lebenslinien nimmst, komme ich gerne. Und ich gestehe, dass ich natürlich auch sehr neugierig bin. Außer von Willy und  dem Dirk Wollens (den ich am liebsten nicht mehr begegnen mag) ist mir das Kunststück gelungen, in den letzten vierzig Jahren keinem ehemaligen Mitschüler über den Weg zu rennen. Und dass in der größen Kleinstadt des Landes. Vielleicht haben sich alle weltweit im nordöstlichsten aller Bundesländer verteilt. Naja, es wird wohl sehr spannend.


Herzlist Brigitte Hartling“


Unten schreibt sie noch ihre  Mail und Telefonverbindung drauf um alles weiter absprechen zu können.


Schnell in den Umschlag, Briefmarke drauf und zu dem Schlüssel legen. Morgen wandert der Brief dann in den Kasten an der Kreuzung.

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