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Brigitte Hartling, Heldin wider Willen

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 29. Aug. 2023
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 23. Nov.

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Schwerin im Spätsommer. Zeit für das Altstadtfest, rund um dem Pfaffenteich. Brigitte schlendert eingehackelt mit Peter zwischen Zuckerwatteständen, Losbuden und Fahrgeschäften über das Pflaster, welches normalerweise nur für den Autoverkehr vorgesehen ist. Das Wetter zeigt sich von bester norddeutscher Seite. Sonne und eine steife Briese. Zarte, schnelle Schönwetterwolken  vermiesen die Feiertagslaune nur bedingt. Als Einheimische ist Brigitte natürlich vorbereitet. Schulterfreies Top, geschmeidig sitzende Baumwollhose und sportliche Sneaker. Nur für den Fall, das es ein wenig länger dauert, ist um ihre Hüfte geschlungen die weiche wärmende windbrechende wasserimprägnierte topmodische Kuscheljacke.

So richtig nach Kirmes steht Brigitte nicht der Sinn, stand ihr es noch nie! Sich auf überfüllte Plätze zu begeben, viel zu laute schreckliche Musik ertragen, durchschnittliches kulinarisches Angebot mit unterdurchschnittlichen Umständen zu überdurchschnittlichen Preisen. Was soll daran feierlich sein?  Und dann noch wilde Fahrgeschäfte, bis der Magen am Kinn anstößig wird. Sehr NEIN!


Aber da, auf einmal wird ihr ohne zweifelhafte Imbisse oder heftige Karussellfahrten schon mulmig.

Sie steht einem Stück ihrer Vergangenheit gegenüber. Wie aus dem nix, ihrer ersten sexuellen Vergangenheit! Dirk Wollens aus ihrer damaligen Parallelklasse. Äußerlich gealtert aber immer noch markante Züge. Die mit Mitte fünfzig üblichen Falten im Gesicht, Rundungen um die Hüfte und die Stirn ist in Richtung Rücken ein gutes Stück über den Kopf gewandert. Aber immer noch der Dirk, unverkennbar. Nun rennt man in der erweiterten Kleinstadt Schwerin ohnehin dem einen oder anderen Bekannten über den Weg, aber muss es denn Dirk sein? Der untergehakte Arm Brigittes, entzieht sich jetzt fast automatisch aus Peters Armbeuge.


„Hey Dirk, mein ehemaliger Freund, wie geht es dir?“ Brigitte beginnt auch als Selbstschutz den nun unausweichlichen Dialog.

„Sehr gut, danke alles bestens!

Und dir, wie geht’s dir?“ fragt der Dirk nicht minderüberrascht Brigitte zu treffen.

„Wir kennen uns immer noch gut, auch wenn wir uns lange nicht sahen. Du weißt wie ich ticke. Sag mir, bist du glücklich geworden in all den Jahren?“

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„Wenn du dich nicht grundsätzlich geädert hast, bist du immer noch der, der mehrgleisig fahren will! Ich hab’s nicht vergessen, wie du damals zwischen allen Schenkeln deiner Mitschülerinnen zu Hause warst. Du kennst auch mich, ich kann immer noch nicht lügen. Gleichzeitig bin ich aber auch jemand der versucht niemanden zu verletzen. Damit sitze ich schon mal in der Zwickmühle! Ausgleichend formulierte ich mal die Antwort auf deine Frage so.

Von Natur aus ist der Mensch ein Allesesser! Männer sind für mich auch Menschen, selbst wenn diese These aus manchen weiblichen Augen für ausgewählte männliche Exemplare nicht zählen sollte. Aber wenn wir Menschen dann, obwohl es ein buntes Portfolio an leckeren Lebensmitteln, ähnlich einem Frühstücksbüffet in einem Luxushotel, vor unserem Augen zum greifen nah bereit liegt und wir trotzdem tagein-tagaus Joghurt mit Trockenobst essen, was macht das mit uns?  Ja, sich so zu ernähren ist möglicherweise nicht ungesund und es macht sicherlich auch körperlich satt.  Aber genügt es dem eigenen Anspruch, regt es die Fantasie an? Verkümmert nicht unser angeborenes Verlangen, unsere natürliche Neugier?  Aber du hast nach Glück gefragt. Auch wenn ich nicht Bäumchen wechsel dich spiele, weiß ich nicht ob ich aufgrund von mehr Abwechslung im Speiseplan glücklicher hätte werden können als ich es wurde. Ich weiß wohl und das ist meine Erkenntnis abseits meiner Verbindungen, dass die Strahlwirkung der erfüllten monogamen Beziehung auf die eigene Psyche deutlich überschätzt wird. Es gibt nicht diesen einen gamechanger, diesen Superstar der Träume, dieses Brat Pitt-Gary Kasparow-Jan Frodeno- Konglomerat als „sexiest man a life“, der mit seinem übernatürlichen Kräften für multiple Orgasmen, fortwährende ökonomische Unabhängigkeit, den perfekten BMI und allseitige Glückseligkeit sorgt. Es sind vielmehr die vielen tausend Dinge die außerhalb der Bettkante noch zum Leben gehören. Familie, Freunde, Hobbies, Gesundheit, emotional Zufriedenheit, ein sinnvoll erfülltes Leben, mit oder ohne Arbeit, Kinder, Haustieren oder anderen selbstgewählten Verpflichtungen. Das macht es aus, ob man glücklich ist. Nur dem Partner,  der da ist oder je nach dem vielleicht auch fehlt, die Schuld zu geben nicht wirklich glücklich zu sein, ist sehr einfach, aber einfach auch zu kurz gedacht und nur die halbe Wahrheit! Auch wenn der Partner nicht stündlich wechselt, wie in deinem jungen Jahren, kann alles in Ordnung sein. Selbst wenn man temporär oder dauerhaft Solo ist, kann es Glück geben, für dich kaum vorstellbar, aber wahr! Zurück zur Frage, ja im Rahmen meiner Möglichkeiten bin ich meistens glücklich! Ich habe meinen Sport, meine mich ernährende Arbeit und manchmal mein Petermännchen.“ Beim letzten Wort hakt sie sich wieder in den immer noch abstehenden Ellbogen ein.

Erst jetzt bemerkt Brigitte, dass ihr Dirk gar nicht alleine unterwegs ist. Neben dem nun sehr zornig schauenden Exfreuend steht eine Dame, die für den Anlass des Stadtfestes offensichtlich overdressed ist. Und das bemerkenswerteste an diese Begleitung ist nicht das Cocktailkleid, die Federboa oder die wirklich unbequem aussehenden hochhackigen Stiefeletten, nein. Das wirklich augenscheinliche ist, dass sie noch finsterer drein schaut als der Dirk. Sie weiß aber scheinbar nicht genau, wem sie ihren Groll gönnt. Unschlüssig wandert ihr Blick zwischen Dirk und Brigitte hin und her. Selbst Peter, der sonst eher gewissenhaft und sorgfältig und nicht immer der Schnellste ist, ist sich sofort sicher, dass der Monolog der sich aus Brigitte ergoss, zu viel für die mit auffälligen Hängewerk versehenden Ohren gewesen war!

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Dirk wendet sich nun von Brigitte ab und blafft über die Schulter “Ich wünsche dir keinen schönen Tag und würde mich freuen, dir nie wieder zu begegnen!“

Gemeinsam wackeln Herr Wollens mit Begleitung zum in Richtung Friedrichstraße.


„Hupps, da hab ich wohl Wollens die Tour vermasselt. Man sieht sich immer mehrfach im Leben und fertig bin ich mit dir noch nicht“ sagt Brigitte halblaut zu sich selbst „und jetzt bin ich in Sektlaune“ mit dem Gesicht zu Peter gewandt.


Am Montag dann im Büro, so nennt Brigitte ihre Dienststelle, werden alle ihr zu Verfügung stehenden Datenbanken nach Herr D. befragt. Nachdem sie ihn nämlich mit dem halben Volleyballteam der 10b inflagrati unter der Dusche erwischt hatte, hatte sie jegliches Interesse an ihm verloren. Obwohl er wirklich gut war, indem was er da so tat. Die Ergebnisse der Recherchen hätten nicht klarer ausfallen können. Herr D. lebte lange in Hamburg, kam immer mal wieder mit dem Gesetz in Konflikt, saß sogar mal ein und lebt erst seit dem ableben seiner Eltern in deren Haus am Rande der Landeshauptstadt. Heiratsschwindel in Tateinheit mit Hochstapelei und Betrug. Scheinbar hat er seine Qualitäten zum Lebensentwurf gemacht! Das passte wie die Faust aufs Gretchen zu dem schönen Dirk, wie er sich selbstüberschätzend früher nannte. Aktuell liegt aber nix vor, keine Steuerschuld, kein Strafzettel oder beim Schwarzfahren erwischt, nix. „Naja wo ich ihn finde, weiß ich ja jetzt.“ brabbelte Brigitte in den Kaffeebecher! Ansonsten gab der Tag nicht viel her, eine Neuigkeit in einem alten Vermisstenfall. Zwei neue Anzeigen wegen Handtaschenraub auf dem Bahnhof  und eine Prügelei unter Teenagern. Bei 90 tausend Einwohnern, eher friedlich. Nach der Arbeit geht’s wie jeden Montag zum Sport. Ihre Knochen und Muskeln sagen Danke. Vollkommen erledigt fällt sie viel zu früh aber glücklich ins Bett. Da muss sie, ob des Glückszustands, noch einmal an den gestrigen Monolog denken. Im wegdimmern murmelt sie „morgen klopf ich dir auf den Pelz!“ Peter, der das hörte und auf sich bezog, wusste nicht ob er jetzt Angst hatte oder sich freuen sollte.

Am nächsten Morgen fuhr sie mit ihrem Corolla sehr unauffällig dreimal an Dirks Meldadresse vorbei. Ein massiver Bungalow aus den Siebzigern, bei dem sich ein Instandsetzungsstau nicht mehr wegdiskutieren lies. Der Garten hinterließ auf den ersten Blick den Eindruck ein Sodagarten zu sein, er ist nur so da. Brigitte hatte ja nicht vor das Anwesen zu erwerben und so konzentrierte sie sich lieber auf Anzeichen des Bewohners. Nix, Stille! Na klar, wenn Mann in der Nacht zeigt was Mann so kann, kann Mann natürlich nicht früh aufstehen!  „Dann fahr ich halt heute Abend nochmal vorbei“ teilte sie ihrer Windschutzscheibe mit und fuhr zum Büro!

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Kaum hatte sie den Kaffeebecher am Mund, Ihren Computer hochgefahren und im Gesundheitssessel Platz genommen, rief sie bei den Kollegen von der Sitte an und ließ sich auf den neusten Stand bringen, was Treffpunkte, Trends anging und spezielle Tipps um den gesuchten Herrn D. aufzuspüren.

Nach zwei DIN A4 Seiten Telefongesprächsmitschriften rauchten Finger und Kopf. Das der Schlumich auf krummen Wegen unterwegs ist, da verwettet Brigitte ihre linke (ihre Lieblings) Brust. Jetzt muss ein ausgefuchster Plan her um dem Typen in sein Handwerk zu pfuschen.

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Brigitte braucht ein bisschen Bewegung und so meldet sie sich bei Fromm ab. Der sah dabei Brigittes Grübelgesicht und beschloss, sicherheitshalber nichts zu sagen, sondern nur nickend zu brummen. An der frischen Luft, einen Fuß vor den anderen machend, fühlte sich Brigitte gleich besser. Nur wenn sich das Gehirn passiv bewegt, bewegt es sich auch aktiv. Nach einer Dreiviertelstunde schaut Brigitte das erste mal überhaupt richtig um sich und bekommt nun einen Ruck, wohin sie sich verloren hat. Wie von Geisterhand gelenkt, steht sie vor dem Speicher, dem Hotel am Ziegelsee. Ein Riesenkasten der oberen Mittelklasse in Bestlage. Als ob Brigitte das jeden Tag macht, setzt sie sich auf die Terrasse und bestellt sich ein Wasser und einen Kaffee. Als sie eine halbe Stunde später die Wirkung des Koffeins im Blut und die Wirkung des Wassers in der Blase merkt, zahlt sie den geforderten Betrag nebst frei gewählter Servicegebühr und steuert den gefliesten Raum für die Notdurft an, welcher sicherlich im inneren des Klinkermonsters zu erwarten ist. Kaum hat sie das Haus betreten, wird es lebhaft laut. Gedämpfte Schreie und Gepolter dringen an ihre Ohren. Das uniforme Personal steht stocksteif mit entsetzten Blicken da. Brigitte versichert sich mit mit dem Griff zum Hüftholster der metallischen Unterstützung und geht in Richtung der Geräuschquelle. Die Treppe hinunter tastend wird es merklich lauter. Es klingt nach einer handfesten Auseinandersetzung. Eine Frau schreit und weint und ein Mann schreit und wütet. Gepolter und Geschrammel, fliegende Gegenstände und in Scherben gehendes Porzellan oder Glas. Der Krach kommt eindeutig aus der Damentoilette. Brigitte zückt ihre Waffe und tritt die Tür auf. Was sie jetzt sehen muss, trifft sie fast körperlich. Kein anderer als Herr Dirk Wollens umarmt eine Frau, die ihr auch schon bekannt ist. Anstelle der Federboa klemmt nun der immer noch recht muskulöse Arm von Dirk um ihren Hals. Die Dame hat auch wieder deutlich Farbe aufgelegt, heute überwiegend Blutrot präsentiert sie sich luftschnappend.

„Dirk, lass die Frau los!“ betont langsam und deutlich, fast unaufgeregt, formuliert Brigitte diesen Satz entgegen ihrer im Ausnahmezustand befindlichen Gemütslage. Dirk lässt showbewusst die Muskeln spielen. Er hebt den Kopf nur leicht und sagt nur „Verschwinde, das geht dich nicht an!“

Brigitte, nun eine Spur lauter  „Dass du hier mit deinem Bizeps angibst, finde ich echt Ober-arm. Und ob mich das hier etwas angeht. Du Schmalspurliebhaber, ich bin die Polizei und meine Waffe zielt auf dich. Ich möchte   eigentlich nicht auf Menschen schießen aber mit dir Schwein,  hab ich kein Problem. Also, wenn du nicht sterben möchtest, lässt du J-E-T-Z-T die Frau los!“

Erst jetzt sieht Wollens die Pistole und reagiert entsetzt darauf. Der Arm um den Kopf wird gelockert und seine Stimme wird ruhiger, fast schleimig. „Ich kann alles erklären, es ist nichts passiert und bis du aufgetaucht bist, war ohnehin alles in Ordnung!“

„Aus deiner kranken Wahrnehmung vielleicht! Du gehst jetzt zur Wand und drehst dich um!“ „Und wenn nicht?“ „Dann nehmen dich meine Kollegen, die in diesem Moment die Treppe zur Toilette runtergelaufen kommen, dich auch gerne gegen deinen Willen mit. Ob dein Gesicht dabei unversehrt bleibt, bezweifle ich!


Brigitte steht eine halbe Stunde später am Krankentransportwagen  für die malträtierte Frau, auf den in blinkendes Blaulicht getaucht Holtelparkplatz, der damit sehr künstlich wirkt. „Ich hab nie gedacht, dass der Dirk das nicht ernst meint. In zwei Wochen wollte ich ihn heiraten. Er hatte schon Zugang zu allen Konten, damit er sich um alles kümmern kann, dachte ich. Ich weiß gar nicht wie ich Ihnen danken soll!“

„Ach, das ist nicht schwer, sagen Sie nur gegen Wollens aus, das ist schon genug. Jetzt werden Sie aber erstmal gesund. Ich komme morgen zu Ihnen ins Krankenhaus und nehme ihre Aussage auf! Gute Besserung, bis dahin.“

Brigitte ging dann nach Hause, Wollens in U-Haft! Das eigentlich schlimme war, dass sie ihn nun noch einige Male sehen musste. Aber bis zu einem Prozess wird er wohl bewacht bleiben, mit diesem Rückfall und der hohen Verdunklungsgefahr. Der Papierkrieg wird dann folgen. „Das wird mir Peter nie glauben, vielleicht sollte ich eine Geschichte darüber schreiben, weil ausdenken könnte ich mir sowas nicht!“

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