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Brigitte auf Ir(r)wegen

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 28. Nov. 2024
  • 8 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 29. Nov. 2024

Ein klarer Fall von Urlaub

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Samstag Nachmittag in Schwerin. Mitte November ist das nicht immer ein Vergnügen. 7 grad, Niesel und die Windstärke wechselt wie die Richtung aus der er bläst. Beste Voraussetzungen für Brigitte, die nächste Urlaubsplanug per Internet auf dem Sofa mit Kräutertee voranzutreiben. Da der Sommerurlaub noch sooo weit weg ist und sie selber ohnehin lieber im schönen MV-Lande bleibt, wenn es denn schön ist und erschwerend dazu kommt, dass sie wenn sie schon das Bundesland wechseln soll, dann maximal nach Timmendorfer Strand, Niendorf oder Schabeutz für Tagesausflüge bereit ist. Also ist das Schlagwort in der internationalen Suchmaschine „Kurzurlaub“! „Ei, wie werde ich die Geister wieder los?“ ruft sie sich haareraufend in sich rein . Zu viele Treffer. Also erstmal monogames Brainstorming. Städtetripp? Sporturlaub oder doch in den Süden? Alleine oder mit dem Peterlein? Der ist genügsam und macht was ich mag. Brigitte kennt zwar viele seiner Mankos, weiß aber auch, dass es ganz ohne ihn nicht sooo richtig schön ist. „Vielleicht irgendwo irgendwie tagsüber alleine und dann Abend gemeinsam? Orkay, dann tagsüber Sport oder mit Tieren, das mag er nicht! Und  beides zusammen sind Reiterferien. Jetzt nicht in der Walachei, sondern vielleicht ein Ort mit Geschichte, das mag er!“…..nach ein paar Minuten glaubt Brigitte die eierlegende Wollmilchsau gefunden zu haben. Küste, Kleinstadt, Reiterhof, englisch sprachige Umgebung mit deutschen Hilfestellungen.  Caren Bühlers Farm in Omeath in Irland. Sie ist zwar keine Deutsche sondern österreichische Pferdenärrin, welche der Liebe wegen nach Irland ging, verrät das Internet. Beim Blick in den Regen vor dem Fenster, denkt Brigitte, dass Paddy O’Brien , so und nicht anders heißt der Glückliche, schon irgendwie entweder ein wahnsinnig großes Herz oder eine magische Hüfte haben muss( hoffentlich beides), dass Caren solch Wetter freiwillig wählt.   Traumhafte Bedingungen für Ross und Reiter am Fuße der  berühmten Mourne Mountains spuckt das Internet aus. Keines Zimmer mit Verpflegung und Anschuss an alle modernen Annehmlichkeiten. Ohne nachzudenken bucht sie das Zimmer für zwei, einen 6 tägigen Kurs „reiten für Sie“ in eins zu eins Betreuung, Flüge ab Hamburg und Transfer zum Reiterhof ab Dublin. Ende April inklusive Maifeiertag als Brückentag, passt hervorragend. Der komplette Service kostet natürlich ordentlich, aber da sie keine versorgungsberechtigten Zöglinge hat, die dauernd auf Klassenfahrt müssen oder das neueste Smartphone brauchen, ist sie monetär nicht unbedingt eingeschränkt und vergisst bestimmt gleich wieder die vielstellige Zahlenkombination, mit der ihre Kreditkarte belastet wird, Hauptsache die Woche ist perfekt.

Ruckzuck ist es April, die Koffer sind gepackt und auch das Peterlein ist entzückt über das Ziel der Reise. Pferde sind für ihn weiterhin nur Gäule, aber er hat sich die eine oder andere Wanderung vorgenommen und ist wahrscheinlich auch nicht dem Schwarzbier abgeneigt, welches dort an jedem Strauch ausgeschenkt werden soll. Ein win-win für die Schweriner Polizei.

Alles klappt wie gebucht und nur 6 Stunden nachdem die heimatliche Tür verriegelt wurde, stehen die norddeutschen Beamten in der irischen Savanne und tätscheln Schweif und Mähne von bestatteten Muskelbergen. Von Wiener Schmäh, der nicht so richtig hier her zu passen scheint, freundlich empfangen, wird Brigitte eingekleidet und schonmal zum Stalldienst verpflichtet. „Das nächste Mal lese ich wieder das Kleingedruckte!“ lässt sie den schmunzelnden Peter wissen. Nach Shortbreat und einer Tasse Tee auf dem Zimmer fühlen sich beide schon fast wie Einheimische. Die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind prima. Alle vier Jahreszeiten in fünfminütiger Folge und dann noch alles zu gleich. Nach leichter Kost zum Abendessen und mit voller Erwartung auf die nächsten Tage fallen sie recht pünktlich in die gestärkte Bettwäsche und träumen, jeder für sich, von ihrem eigenen „Irish Rover“.

Um 7.00 klingelt der Wecker, was eigentlich gar nicht nötig ist, weil Brigitte schon seit einer Stunde versucht, die bereitgelegten Reitersachen anzuziehen. So zufriedenstellend scheint es nicht zu glücken, zumindest hat sie sich das Ergebnis optisch anders vorgestellt. Vor dem Spiegel dreht sie sich, geht in die Reiterhocke oder streckt sich urplötzlich und stößt dabei lauter Laute der Unzufriedenheit laut aus ihrem zur Schmollschnute verzogenen Mund 👄.  „Dabei hast du noch nicht einmal den Helm auf !“ gibt Peter, der sich genervt von links nach rechts dreht  gedankenverloren von sich und erntet prompt einen der schlimmsten Blicke die ma(n) von Brigitte ernten kann. „Vielleicht macht ja das ganze Zeug Sinn, aber muss ich aussehen wie ein Kartoffelsack?“ fragt sich Brigitte. „Die Wetterschutzhaube ist der Wetterschutz“ blökt Peter und bereut es unverzüglich, weil Brigitte jetzt aus dem Zimmer geht und durch die offene Tür ein Frühstücksduft ins Zimmer strömt.

Als Peter sich auch in den Speiseraum gesellt, sieht er an seinem Tisch nur noch einen Zettel von Brigitte. „Mein Kurs geht los, bis heute Abend!“. Na wenigstens keine schlechte Stimmung mehr, denkt sich Peter. Nach zwei Toast und einem Kännchen besten Schwarztees mit zwei Tropfen Milch und einem Kandis, verlässt er tatendurstig die Unterkunft in Richtung Greenway , einem ausgeschilderten 11 Kilometer langen befestigten Weg, entlang der Küste nach Norden, bis in den britischen Teil der immernoch geteilten Insel. Peter war schon mal während seines chemischen Studiums hier in dieser Gegend. 1996, damals waren es finstere Zeiten. Während des Troubles (30 Jahre lang), so nennen die Iren und die Engländer beiderseits euphemistisch die Zeit des bewaffneten Kampfes der IRA für eine irische Insel, ohne britische Besatzung. Im Prinzip war es Bürgerkrieg mit vielen Toten und sehr viel unsagbaren Leid auf allen Seiten. Dementsprechend sind die Erinnerungen für Peter auch nicht so richtig schön. Gespannt ist er, wie sich das alles entwickelt hat und ob noch Spuren des Konfliktes sichtbar sind. Schließlich ist das ja schon fast ein halbes Menschenleben her.

Er sieht während seiner Tour auf die Irische See - das blaue Meer in Richtung Schottland, sowie auf hüglige Landschaft mit blühenden Ginsterhecken, dornigem Buschwerk, vereinzelt Bäume und morastige Wasserlöcher sowie alle Grüntöne dieser Erde. Eine physische Grenze gibt es am Ende der Europäischen Union  nicht, nur Natur in Reinform. Gut verpackt, macht ihm das launische Wetter nix aus. Genau so gut verpackt, wird er sich der launischen Frau gegenüber zeigen.

Für Brigitte ist der Tag ein Traum. In ihren späten Mädchenjahren hatte sie auch schon Kontakt zu Pferden (welches Mädchen nicht?) und so konnte sie nach ein paar Runden  an der Leine Caren überzeugen, einen gemeinsamen Ausritt zu wagen. Leichte, menschenleere Wege im gemächlichen Tempo. Wind um die Nase, auf dem breiten Rücken eines Tieres, das genau für diesen Zweck da zusein schien. Brigitte hätte bis zum Sonnenuntergang weiter reiten können, aber Caren musste unbedingt zurück, um zwei Uhr hatte sie eine wichtigen Termin, wie sie betonte. Brigitte könne ja noch ein bisschen in der Reithalle bleiben und dann absatteln, trocken reiben, Boxenarbeit und das ganze Programm erledigen bis sie auch selbst glücklich erledigt sein wird.

Gegen 17.00 Uhr gab es Tee und siehe da, der Peter war, wie durch göttliche Fügung, auch zurück von seinem Tripp. Alles in allem ein toller Tag, nur wäre er beinahe von einem Pferdetross zertrampelt worden, hätte er sich nicht beherzt über einen schützenden Zaun in den Dreck geschmissen. Nun ja, außer Dreck am Mantel blieb der Stunt folgenlos.

„Morgen, bleib ich erstmal hier und schaue mir den Hof an, man darf ja auch nicht übertreiben!“ sagt Peter nach dem er den Butter bestrichenen Homemade Scone vertilgt hatte. Nach dem die beiden Städter soviel Sauerstoff in ihre Lungen gepumpt hatten, ging Ihnen gegen 21.00 Uhr die Luft aus. Nachtruhe bis um sieben.

Nach dem Frühstück gingen Peter und Brigitte in den Stall. Brigitte fing an ihr Pferd zu satteln und Peter schaute sich neugierig um. Er vermied jeden tierisch Kontakt. „Das wird wohl Nix mehr“ denkt sich Brigitte.

Als Peter ganz aufgeregt nach einer Stunde von irgendwo zwischen den Boxen zurück in die Reithalle gerannt kommt, sieht er nur noch ganz klein am Horizont, die wackelnden Pferdeschwänze seiner blonden hinreißenden Mitreisenden und den eines schwarzen Tieres.

„Nun gut, die wird schon noch zurückkommen, bis dahin versuche ich mal noch einige Fakten über die gestrige unsanfte Begegnung mit diesen Viechern zu sammeln.“ brabbelt sich Peter in die Urlaubsstoppeln und kommt sich fast wie Sherlock Holmes vor.

Peter dreht noch eine Runde in der Boxengasse und hofft ,… nein nicht, auf ein Boxenluder(falsche Sportart), aber doch auf hinlänglich belastbare Informationen zu den Pferden, die ihn gestern nur knapp verpasst haben. Ihm, dem nerdigen detailverliebten stinklangweiligem deutschen Beamten, fiel nämlich auf, dass alle Pferde unterschiedliche Brandzeichen, aber alle mit Unionjack im Bild  haben. Und das auf einem irischen Hof!?!?! Soviel Völkerverständigung gibt es dann doch nur im Märchen. Da die Begleitung der Pferde aus einem an und für sich schulpflichtigen Jungen bestand, der offensichtlich dringend einen Zahnarzt aufsuchen sollte und auf Peters wohlformulierten englischsprachigen Fragen nur verhuschte einsilbige Antworten in breiten nordirischen Akzent von sich gab, die hinten und vorne nicht zusammenpassten, versetzte dem nicht zu Hause gebliebenen Instinkt einen herben Gestank. Und es war kein Pferdemist, nach dem es stank. Nun, als Peter wieder ins Freie trat, sah er Miss Caren Bühler mit langem „ü“, wie sie selbst betont, mit dem Pferdebengel auf dem Beifahrersitz von Dannen rollen. „Na, die werden auch noch wiederkommen!“ erklärt Peters Kopfstimme der weiten Leere auf dem Hof. „Mal sehen, ob Mann hier einen vernünftigen Kaffee bekommen kann, dann sehen wir weiter, Watson!“ wieder an den leeren Platz gerichtet.

Gab es natürlich nicht, Tee, Saft oder frisches Quellwasser aber keinen Kaffee hätte man bekommen können.

Als Miss Caren Bühler wieder eintraf, hatte sich die markante Beule im Gesicht des Jungen deutlich abgeflacht und er sah geschafft aber nicht mehr so angespannt aus. Sagen konnte er nix und aus seinem Mund hing unkontrolliert ein kleiner roter Sabberfaden. Sherlock kombinierte „eins und eins ergibt Zahnarzt“. In den Reiseunterlagen stand, dass die Betreiberin Miss Bühler kinderlos währe und sich so problemlos um alles kümmern könnte. Als wenn sich Mütter nicht um alles kümmern würden, fand Peter, behielt es aber für sich. Kurz nachdem Frau Bühler ins Haus verschwand, machte sich der Bengel mit einem kleinen Campingbeutel auf dem Rücken, auf den Weg nach Norden. Er wird sich wohl sputen müssen, um noch bei Tageslicht in  zivilisierten Gebiet anzukommen. Diese Story wird ja immer verrückter, denkt sich Peter und ihm mag wirklich keine plausible legale Möglichkeit einfallen, wie das alles zusammenpassen kann.

Am Dienstag sind dann früh wieder neue Pferde mit unterschiedlichen Brandzeichen im Stall. Große, kleine, dicke und dünne, einzig einend ist jeweils der Unionjack. Und wieder ist ein Bub dabei. Dieses Mal aber nicht einer mit Zahnweh, sondern einer mit einer in einer Schlinge bandagierten Hand. Am Mittwoch gab es wieder neue Pferde, dieses Mal war es ein Mädchen mit einer Schwungscheibe in der Hüfte, jedenfalls konnte sie unmöglich laufen und zog ihr rechtes Bein merkwürdig abgewinkelt nach. Am Donnerstag überzeugte Peter die Hauptkommissarin Brigitte Hartling, dass sie zwar hier keine Befugnisse hatte und eigentlich Urlaub machte, aber dem Leben nicht mehr ausweichen konnte. Brigitte, die nach ein paar Tagen Training wieder so fest im Sattel saß, dass sie bei jeder Westernreitershow nicht nur wegen ihrer ansprechenden optischen Erscheinung, sondern auch wegen ihres reiterischen Könnens eine Option wäre, musste der Sache auf den Grund gehen. Dabei, soviel Menschenkenntnis hatte sie, machte es keinen Sinn die clevere Geschäftsfrau mit österreichischen Wurzeln zu befragen, sie konzentrierte sich auf die kleinen Menschen mit gesundheitlichen Problemen. Als am Freitag ein Junge am Nachmittag von Caren ausgesetzt wurde, verfolgte Brigitte das nicht mal 12 jährige humpelnde Kind mittels des 5 jährigen Rappen. Auf weiter Flur, holte Brigitte den Knaben ein und stellte ihn zur Rede. Die Verständigung klappte ausgesprochen gut. Brigitte war aus der Reiterperspektive, quasi von oben herab, sehr überzeugend. Faselte und sinnierte sie nach anfänglichen doofstellen des Delinquenten von Amtshilfe innerhalb der EU und vermittelte glaubhaft eine massive Staatsgewalt, rechtsstaatliche Regeln hin oder her. Das fruchtete und zuerst zögerlich aber in der Folge fließend übergab der Bursche Brigitte alle Fakten, die die gemachten Beobachtungen der letzten Tage, in ein nachvollziehbares Bild einordneten.

„Ok, das ist hier eine Nummer zu groß und jetzt brauche ich wirklich amtliche Hilfe.“ Sie rief ihren Peter an, der heute passender Weise einen Stadtausflug in Dundelak machte und sich darauf hin in die nächste Polizeiwache begab. Nur eine Stunde später war jeder Pferdehuf in der ganzen Gegend in baublickendes Licht getaucht. Laute österreichische Fluchtiraden ergossen sich in die irische Landschaft.

Das beendete irgendwie die Reiterferien abrupt. Samstag begaben sich die Schweriner Polizeibeamten auf den Heimweg. Zwar ohne Frühstück, aber nicht ohne den Pferden auf Wiedersehen gesagt zu haben. Der Pferdehof wurde nun provisorisch für die tierischen Bewohner von der benachbarten Farm mitversorgt. Auf dem Flug von Dublin nach Hamburg schilderten sich gegenseitig die beiden Beamten, die kriminelle Sachlage. Nun sagte Sherlock „Die englischen Kinder können einem leid tun. Bekommen vom NHS in Nordirland keine bedarfsgerechte Betreuung und müssen in das nur marginal bessere Gesundheitssystem der Republik flüchten. Krass !“ „Ja und bezahlt wird mit Pferden, die auf diesem Weg in die EU exportiert werden, ohne langwierige und teure Gesundheitsprüfungen oder Zölle.“ gibt Brigitte zum Besten. „Wenn sich Frau Bühler nicht daran bereichert hätte, ich gar nicht so einen Aufstand gemacht. Aber mafiaartige Ausbeutung geht überhaupt nicht.“

Peter kuschelt sich an seine Brigitte und sagt „das nächste Mal bleiben wir in Schwerin, da gab es noch nie organisierte Kriminalität, dank dir natürlich!

 
 
 

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