Prophylaktisch
- Georg

- 11. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit

Ich bin reingetappt, in die Falle, die von der Wellness und Gesundheitsindustrie sperrangelweit aufgetan wurde. Der beste Beweis, dass über Jahre unterschwellige Berieselung zum erfolgreichen Ende gelangt. Sei gut zu dir, dann hast du es einfacher. Ich rede nicht von Krebsvorsorge oder Gesundheitssport. Beides halte ich zwar theoretisch für sinnvoll, betreibe aber aus ungeklärten Gründen nur eine Sache davon ernsthaft. Ich rede von professioneller Zahnreinigung. Wenn man sich erstmal dazu entschlossen hat, geht es nicht ohne das man ein schlechtes Gewissen vom zuständigen Dentalhygieniker m/d/w eingeredet bekommt. „Schlecht und unzureichend hast du Schlampersack dich doch um deine Mundhygiene gekümmert“. Solch Demütigungen lässt man sich normalerweise nur von seinem Ehepartner ungestraft gefallen. Sei es drum, die uniformgleichen Umhänge, Gummihandschuhe bis zum Ellenbogen, Gesichtsmasken und Schutzbrillen mit aufgesetzten Vergrößerungsapparaten haben irgendwas von bemannter Raumfahrt und lassen nur ahnen, wen man da eigentlich vor beziehungsweise über sich hat. Gottseidank ist das auch total egal. Kaum Platz genommen, hat man auch schon diverse Gerätschaften im Kopf. Einen Bohrschleifer Marke Multi-Dremel aus dem Baumarkt, einen Saugstutzen den sonst die Feuerwehr zum auspumpen vollgelaufener Keller verwendet, ein lanzengroßen Eispickel, eine Sense und einen Enterhaken von Captain Jack Sparrow. Es wird geruckelt, gedrückt, gekratzt, gepickt und geschliffen bis man denkt, dass letzte Teilchen heiles Gewebe ist jetzt auch noch verschwunden. Wenn dann nicht nur die Apparate sondern auch noch mindestens zwei Hände für die Maulsperre sorgen, bekommt man das Gefühl, die eigene Mundhöhle ist so groß wie die Cargolifter-Halle und man könnte mit den Stimmbändern bei geschlossenen Mund ein Echo erzeugen. Ich verwende meine vollständige Konzentration darauf, den mir eigenen und gefürchteten Würgereflex zu ignorieren. Zu allem Überfluss wird man dauernd etwas gefragt. Selbst wenn man bei dem Krach der Maschinen die zarte Frauenstimme versteht, ist antworten eigentlich keine Option. Kopfnicken oder -schütteln halte ich mit scharfen Waffen im Mund für eine bescheuerte Idee und durch die Belagerung der Zunge und Kiefer ist eine gelungene Artikulation ausgeschlossen. Wenn nach einer Stunde der Marta dann die Fresse ordentlich poliert bekommen hat und man nur noch weg will, wird der nächste Termin vereinbart. Ist das dann immer noch prophylaktisch oder schon masochistisch grenzdebil? Fremdworte imprägnieren mich immer so penetrant.




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