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Normal ist das nicht!

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 4. Dez. 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Alltag in Thule

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2 Grad über null, ein dunkler Dezembermorgen läutet einen weiterhin trüben Dienstag ein.

Ich habe keinen Hund, welchen ich Gassi führen muss und bin trotzdem schon auf dem Fußweg unterwegs. Ich suche meinen gewerblichen genutzten Kleintransporter. Gestern, als ich im Dunkeln gereizt, gestresst und ermattet von den Dachrinnen einer beliebigen deutschen Hauptstadt Heim kam, habe ich nach mehreren Runden im Wohngebiet ihn (den Transporter) wahrscheinlich irgendwo abgestellt, wo er am wenigsten eine Einfahrt, eine Kreuzung oder einem Fußgängerüberweg behinderte. Leider hat sich der aktuelle Ort nicht in meine Festplatte geschrieben. Egal so groß ist das Wohngebiet ja nicht und der Transporter ist auch im Dunkel des Morgens selbst an der Silhouette der Scheinwerfer vorbei huschenden Fahrzeuge 🚗 gut auszumachen. Beruflich sortiere ich mich zum Dachhandwerk und wie es der Zufall so will, wer glaubt an Zufall?, befindet sich der dazugehörige Fachhändler meines Vertrauens, in sagen wir mal, 100 Meter Luftlinie  zu meiner nächtlichen Ruhestätte. Demzufolge fall ich auf der morgendlichen Odyssee gradezu über Berufskollegen, die aus welchen Gründen auch immer, ab halb sieben die Einfahrt, den dazugehörigen Gehweg und halblegale Abstellplätze auf der ohnehin überfrachteten Wohngebietsstraße bevölkern. Das Schiebetor zum Mekka der Dachbaustoffe öffnet sich aber erst Punkt sieben. Dementsprechend lungert die Creme des nordberliner Dachwesens, meist rauchend, laut gestikulierend oder Fußballergebnisse des letzten ach so wichtigen Länderspiels diskutierend auf dem Bürgersteig rum und sorgt dafür, dass die normalen Passanten die Straßenseite wechseln, weil die sich nicht an den meist grobschlächtigen oder martialisch anmutenden Gestalten vorbei trauen. Es gibt natürlich keinen einzigen vernünftigen Grund, warum sich die Truppe nicht erst um sieben ein Stelldichein gibt. Danach befragt würden sie eventuell behaupten, dass die Wartezeit zum morgendlichen Ritual- anstatt Zähneputzen-gehört, durch Zufall zu früh da sind oder der fehlende Stau schuld ist. Viele Wahrheiten könnte es geben. Zum Beispiel auch diese, dass sie dem familiären Wahnsinn des Morgens entgehen müssen oder die eigene Frau früh nicht ertragen, der Pegel (egal welcher) bedrohlich gesunken ist oder im Falle eines trostlosen Singledaseins, der Einsamkeit entfliehen wollen. Wahrscheinlich ist es irgendwas dazwischen. Um Punkt sieben rollen dann alle Wagen in der Schlange auf den Hof und manche Insassen beeilen sich auf dem Weg in den Verkaufsraum, dem einen oder anderen schlechter organisierten Kollegen, dessen Platz in der Reihenfolge der Bedienung streitig zu machen. 5x80er Schrauben mit Teilgewinde und 25er Sterntorx als Antrieb, Spezialklammern V2A mit Innensechkantdoppelnippel, 35er feuerverzinkte Breitkopfnägel,, Dachhaken verzinkt, verkröpft zum hängen Typ A, Rutex KSK-OWF, DTB Windschutzblech links ohne Loch in Anthrazit oder Laufanlage Flender/Flux 27 b komplett 880 er?!?! Noch irgendwas? Geduldig trägt jeder sein Begehr vor. Die eigentliche Kunst der Verständigung zwischen Handwerkern vor dem Tressen und den geduldig zuhörenden Verkäufer hinter dem Tresen ist nicht das Erstellen eines Lieferscheins, das macht ja Kollege Computer relativ einfach, die Kunst ist vielmehr das Erraten der Kundenwünsche. Grammatik ist eh überbewertet. Denn nur selten, viel zu selten werden diese Wünsche im gelisteten Handelsdeutsch vorgetragen. Meistens werden Lehnwörter, Umgangssprache oder unverständlicher Kauderwelsch von sich gegeben. So ist wenn jemand Pappe verlangt, zu 90 Prozent Bitumendachbahn gemeint. Dazugehört die Unterscheidung der mannigfaltigen unterschiedlichen Bahnen, je nach Einsatzzweck. Die Unterschiede zwischen Ziegeln und Dachsteinen sind zwar nicht unwichtig, aber wer will schon so früh am Morgen auf solchen Sachen rumreiten. Plaste und Kunststoff können genauso verwirrend sein, wie silbrige Dachrinne oder Cuttermesser. So what? Alles kein Problem. Schön wenn dann  hinter dem Tresen noch mitgedacht wird  und dem ohnehin nur mäßig engagierten Mitarbeiter und mit viel Glück gelehrtem Facharbeiter, der vielleicht nur deswegen hier ist, weil er der einzige im Team ist, dem der Führerschein nicht wegen Trunkenheit abgenommen ist, seine sonstige Spezialdisziplin aber nicht strukturiertes handeln ist, alles mit zugegeben, was sachdienlich ist, er aber nicht auf dem Zettel stehen hat, den er ohnehin nur noch mühsam entziffern kann! Zu dem verlangten Flüssigkunststoff  werden die dazugehörigen Pinsel, Handschuhe, Spezialfließ oder Gixgax ohne überflüssigen Schnickschnack mitverkauft. Langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit ist extrem hilfreich. So hat man vor jedem neuen Gesicht, vor oder hinter dem Tresen, wechselseitig einen gehörigen anfänglichen Widerwillen. Das fragile System der Verständigung gerät ins wanken. Bis sich dann die nötige gemeinsame Sprache gebildet hat, vergeht schon so manches Jahr. Problematisch sind etwaige fachfremde Einkäufer, die irgendetwas abholen oder bestellen möchten. Menschen mit nicht mal gefährlichen Halbwissen, die beratungsresistent mit kleinen PKWs, 5 Meter langes Zeug transportieren wollen oder 1,7 Tonnen Rundkies in den Kofferraum eines Skodas  gepackt bekommen möchten. Naja, jeder zahlt Lehrgeld.

Bei diesen alltäglichen Verrücktheiten, grenzt es für mich an eine Art Wunder, dass dieser Betrieb, mit äußerlich nur geringen Anpassungen, die letzten wechselhaften 75 Jahre überstanden hat. Ich drücke die Daumen, dass er es weitere X Jahre schafft, zumindest aber bis zu meinem altersgerechtem ausscheiden aus dem Arbeitsalltag.

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