BuchBerlin
- Georg

- 21. Sept. 2024
- 3 Min. Lesezeit

Name ist Programm
Bücher-Messe in der Arena.
Bücher schaffen Pausen vom „IST“ und wir alle können diese sehr gut gebrauchen. Ich weiß, Bücher sind auch ein bisschen alte analoge Welt. Hipp ist anderes, meint der Zeitgeist. Gottseidank ist das bloß eine Meinung und kein unwiderlegbarer Fakt. Unabhängige Verlage (was immer das ist?), ebensolche Autoren, semiprofessionelle Wortjongleure und alles denkbare und überraschend Verrückte rings um gedruckte Publikationen wird dem interessierten Publikum präsentiert. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass einem nicht alles gefällt was im Laufe des Jahres im stillen Elfenbeinturm der Dichter und Denker manchmal auch unter bestialischen Qualen, meistens aber mit viel Fleiß und Herzblut das Licht der Welt erblickt hat und hier nun feil geboten wird. Bonbonfarbene Literatur für Mädchen ab 40 ist für mich genauso uninteressant wie Gothic-Machwerke mit Vampiren, Widergängern, Halbgöttern oder anderen üblichen Verdächtigen. Und natürlich gibt es all „Das“ noch reihenweise miteinander unsäglich verquirlt. Wenn ich beim durchschlendern durch die Reihen so vor und hinter die Messestände schaue, dämmert es mir, dass das Genre „Fantasie“ nahezu ausschließlich für das Geschlecht der letzten drei Buchstaben des namensgebenden Genre da zu sein scheint. Wobei nur wenige in Pappdeckel gedrückte Seiten wirklich kreativ oder gar fantasievoll beschrieben sind, so meine unsachgemäße und von Vorurteilen beherrschte Vermutung. Ich verstehe diese Strahlkraft einfach nicht, aber es gibt ja auch Menschen die sich einen VW Golf kaufen, weil sie glauben, sie hätten ein erlesenen (hihi, kleines passendes Wortspiel) Geschmack.
Manche Aussteller wollen nur helfen, so hat man den Eindruck. Helfen, den unaufhaltbaren Trend zur digitalen Transformation zu verlangsamen. Nur schreiben sie selbst natürlich nicht auf einer klappernden mechanischen Schreibmaschine, bedienen sich selbstverständlich den modernen digitalen Produktions- und Kommunikationsmethoden beim Fertigen ihrer eigenen geistigen Babys und verteufeln selbstredend elektronische Leseformate. Ich denke, die Mischung macht es!
Bei einem Verschnäufchen mit Croissant und Kaffee nehme ich mir die Freiheit und drücke diese Buchstaben in diese mir zu Verfügung stehende Tastatur. Gleichzeitig taxiere ich das bunt gemischte Publikum. Wer nun denkt, dass jetzt einschlägige Klischees zutreffen, dem möchte ich meine wertungsfreien Beobachtungen ans Herz legen. Ein breites grinsen macht sich über meine braungebrannte und wettergegerbte Handwerkervisage breit. Jede Menge lichtscheue Gestalten strömen durch die ehemalige Busreparaturhalle aus den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Einige untersetzte nerdige Typen mit ungezähmten Haupthaarresten in schmuddeligem Outfit humpeln undefinierbar und über unhandliche Kartons gebeugt über die blitzblank gebohnerten und für ihren Geschmack viel zu hell beleuchteten Gänge, in ernsthafte Gespräche verwickelte aber ansonsten freudestrahlende und wild gestikulierende goldblonde Abiturientinnen mit Deutsch-Leistungskurs, schlürfen ein wenig verkatert durch die Pforte, „Sicherheitspersonal“ - das, so hat es den Anschein, bis heute morgen nicht wusste, was Bücher sind, steht gelangweilt in der Gegend herum, Frauen mit wallenden Mähnen im unbestimmbaren Alter, bekleidet mit an einen Fesselballon erinnernden Stoffballen in zwölf verschiedenen Rottönen bevölkern raumgreifend und selbstbewusst jeden sich bietenden Freiraum. Gestresste junge Menschen mit überladenen Sackkarren, die übermüdet und sichtlich unmotiviert kistenweise Bücher, Kataloge, Werbemittel oder Sechserträger Mineralwasser ungeübt durch die Besucher manövrieren. Alles im allem, nicht der schlechteste Platz auf Erden. Immerhin zirkuliert spürbar ein kreativer Geist 👻 durch die Halle und es ist soooo schön friedlich hier, wie am Ufer eines einsamen Moorsees irgendwo in Alaska. Ich mische mich gleich noch ein paar mal unters Volk und mit ein bisschen Glück, küsst mich die eine oder andere Muse, treffe noch irgendwelche Buchstabenakrobaten, schmöker in knallbunten Auslagen der Messestände oder habe eine Audienz beim Bücherprinzen bevor es unwiderruflich in die Realwelt zurück geht. Ich liebe es 😻!




Lieber Georg, du hast deine Beobachtungen in unvergleichlicher Weise in Worte gekleidet. Der Bücherprinz verneigt sich 🌹