Brigitte macht Urlaub vom Alltag
- Georg

- 9. März 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. März 2023

Die Beamtin in Brigitte Hartling ist eigentlich eine biedere Natur. Aufregung sollte es, wenn überhaupt, nur während der Arbeitszeit geben, dafür wird sie ja angemessen bezahlt. In der Freizeit sollte es gesitteter zugehen. Nun steht bei der Verbrechensbekämpfung in Schwerin niemand im Verdacht, dauernd der Lebensgefahr ausgesetzt zu sein, aber man muss sich eben mit zum Teil unangenehmen Dingen beschäftigen. Diebstahl, Verkehrsdelikte(auch zwischenmenschlich), Sachbeschädigung, BTM- Delikte, ein bisschen Körperverletzung oder allgemeine Verwahrlosung und nur, sehr selten, vorzeitiges Ableben. Meistens ein durchaus unangenehmer Cocktail aus diesen und allen anderen Bereichen der nichtlegalen Welt mit verschieden Anteilen. In der Summe und auf das lange Berufsleben hochgerechnet trist, nervtötend und verrohend. Deswegen legt Brigitte auch sehr darauf wert, dass Sie sich mit schönen Dingen in ihrer Freizeit umgibt. Nun ist die Dauer on-off Beziehung mit Peter auch nicht immer schön. Entweder Sie selbst versteht ihn nicht, oder er ist bockig oder irgendwas dazwischen. Es ist eben stimmungsmäßig nicht immer alles „Ostsee bei 30 Grad “!
Direkt schön im ästhetischen Sinne, also so wie sich jedes weibliches Heißblut ihren Adonis erträumt, ist ein durchschnittlicher mittelalterliche Mann ohne gesteigertes Körpergefühl auch nicht mehr. Die Schwerkraft sowie genetische Veranlagungen schlagen erbarmungslos zu. Der Haaransatz wandert unaufhaltsam von anfänglichen 2,5 cm über den Augenbrauen in beängstigender Geschwindigkeit über den Kopf in Richtung Rücken. Bindegewebsschwäche lässt das Doppelkinn bei ordentlichen Seitenwinden flattern, wie den Kehlsack eines Fegattvogels. Hängende Schultern, Rundrücken, und die ringsum barocker werdenden Schwellungen in Körpermitte führen auch nicht zu vermehrten Attraktivität des Gegenübers.
Gleichwohl trübt sich Brigittes Sehstärke altersbedingt ein, sodass bei gelegentlichen beidseitigen freilegen der körperlichen Attraktionen im Schummerlicht, Sie nicht mehr alles so genau erkennen kann und muss.
Sie selbst hält sich durch, früher hätte man Gymnastik gesagt, Ernährungsdisziplin und langen intensiven Spaziergängen in körperlich erstaunlich gutem Zustand. Für den Geist bemüht sie ganz oldschool Bücher, Ausstellungen und Museen. Dann hilft natürlich noch ein Weltbild, in das man sich selbst passend einsortiert! Sie ist nicht der Meinung, dass sie in jeder Disziplin gegen zwanzig Jahre jüngere Menschen anstinken muss! Sie würde wenn sie irgendwelche Kämpfe auszutragen haben würde, nur in ihrer Liga antreten, dafür ist sie schlau genug! In Mekpom hat man aus Gründen die sie selbst für unsinnig hält, einen zusätzlichen Feiertag eingefügt, den 08. März! Da sie noch nie aufgrund ihres fehlenden Penises benachteiligt wurde, weiß sie nicht was und vor allem warum sie da zu feiern oder zu kämpfen hat. Da das bei den meisten kirchlichen Freitagen genauso ist, ist ihr beruflicher Wille, alles und jedem auf den Grund zu gehen für diesen Bereich ausgeklammert. Sie nimmt es klaglos hin einen freien Tag mehr zu haben. Kurzerhand hat sie, weil wettertechnisch nix zu planen ist, eine Nacht mit anschließendem Frühstück in einem Hotel in der eigenen Landeshauptstadt gebucht. Miniurlaub zu Hause! Ein schönes Zimmer im Zentrum. Mit schönen Abendprogramm und morgendlichen Aktivitäten. Schön für Körper und Geist und die Delle im Geldbeutel ist vertretbar, da es im Prinzip keine Reisekosten gibt.
Nun dann, nach einem sehr teigigem Tag im Büro der Kriminalpolizei, verlässt ein wippender blonder Pferdeschwanz an einer aufrecht schreitenden Frau gegen 17.30 Uhr mit einem Daypack auf dem Rücken das Gebäude. Anonymer geht es kaum. Brigitte schlägt den Weg in Richtung Innenstadt ein und freut sich während der zu erwartenden Dreiviertel Stunde des Fußmarsches, den Kopf frei zubekommen.
Für halb sieben ist der Tisch reserviert. So kann sie noch das Zimmer im ersten Stock beziehen und alles für den Tag beziehungsweise Nacht in Beschlag nehmen. Romantisches kleines Hotel, so wurde es beworben. Das Zimmer schien sauber gelüftet und mit allen erdenklichen Dingen ausgestattet zu sein, die für ein seliges Übernachten nötig erscheinen. Was das nun mit der italienischen Hauptstadt zu tun haben soll, leuchtete Brigitte allerdings nicht ein. Manchmal stand ihr trainierter sachlicher Verstand ihr selber auf dem Schlauch. Eine Hand Wasser ins Gesicht und das Haar vom professionellen Pferdeschwanz befreit machte sie sich auf zum georderten Abendessen. Zu ihrem Erstaunen, saßen an vielen Tischen Frauen in mittlerem Alter ohne männliche oder andere Begleitung. Das Erscheinungsbild der anderen Frauen, ließ Brigitte aber auf Osteropäerin schließen. Haarpracht, Gesichtsformen, die Art des Schminkens, den auffälligen süßlichen Duft billigen Parfums, die Art sich zu Kleiden und final dann noch die verhuschte Art des Beobachtens verrieten dem Profi in Brigitte, dass hier irgendwas läuft. Die schiere Konzentration der Damen sagte Brigitte sogar, dass hier irgendwas Illegales am laufen ist. Kaum hatte sie ihre Flunder Finkenwerder Art mit einem Glas Chardonnay vor sich stehen, öffnete sich die Tür der Gaststube und drei Fleischberge in Jogginganzug und starkem Bartwuchs füllten den Raum durch ihr Testosteron mit weiblichen Adrenalin! So wie die Kerle sich an die ersten erreichbaren Tische setzten, war für Brigitte schnell klar, dass es sich hier nicht um freiwilliges Speeddating handelt, sondern eher um das mehr oder weniger freiwillige rekruten von Nachwuchsprostituierten. Instinktiv startete sie die Aufnahme einer Sprachnachricht und tat so, als wäre sie in der Tat nur zufällig hier. Ruckzuck saß auch schon einer der ungehobelten Typen an ihrem Tisch, musterte sie und machte mit einer Bemerkung über ihr insgesamt ordentliches aber leider leider nicht mehr blutjunges Erscheinungsbild eine so abfällige taxierende Bemerkung, dass Brigitte kurz davor war die Deckung aufzugeben und reflexartig Ohrfeigen inflationär zu verteilen. Sie wollte aber sehen, wie das hier weitergeht und konnte auch nicht im Ernst glauben, mit der muskulären Übermacht fertig zu werden. Deswegen schaltete sie auf Charmeoffensive und gab vor mit Raffinesse etwaige bereits verflossene körperliche Vorteile mehr als nur auszugleichen. Die einzige Regung im Betongesicht ihres Gegenübers, war ein heben der linken Augenbraue.
Auf die gebrochene Aufforderung „Papiere“ hin, zuckte sie nur mit den Schultern. Dann verließ ihr Verhörer ihren Tisch, natürlich nicht ohne ihr demütigend ins Gesicht zu fassen. Nun musste Brigitte nicht nur mit ihrer Angst kämpfen, sondern auch mit einem latenten Würgereiz. Die Stimmung im Restaurant war nun römischer als Brigitte es lieb war. Es hatte schon die Atmosphäre des Innenraums des Colloseums. Nur das die Gladiatoren weiblich waren und die Herrscher über Leben und Tod nicht auf den Rängen saßen, sondern mit im Ring standen. Als die ersten Damen an den Tischen nun teilweise grob veranlasst wurden, alles stehen und liegen zu lassen und quasi von den „Sportlern“ abgeführt wurden, drückte Brigitte mit einem beherztem Griff in ihre Handtasche auf „senden“ der Sprachnachricht . Dann wählte sie instinktiv die Telefonnummer des Kriminaldauerdienstes und stellte ihren Lautsprecher auf stumm. Diesen Trick kannte sie aus irgendwelchen Fernsehkrimis und hielt ihn bisher für völlig aus der Luft gegriffen und absolut untauglich. Der Fisch war nur zur Hälfte verputzt aber das Glas Wein war leer. Den Mut aus dem Glas hatte sie nun bitter nötig. Lauthals verkündete sie nun wo sie war und erkundigte sich bei den Herren wie es nun weiter ginge!
Schwerin ist ja für vieles bekannt, aber vor allem für kurze Wege. Und so kam es wie es kam, dass just als die sieben Frauen inklusive Brigitte auf die schwarzen verspiegelten Reisevans verteilt waren, zeitgleich von allen Himmelsrichtungen zivile und als Polizeiwagen gekennzeichnete Wagen die gesamte Innenstadt lahm legten und die Muckimänner insgesamt hilflos erscheinen ließ.
Schnell konnten die Damen befreit werden und Brigitte zog dem Mann, welcher sie betatscht hatte, erstmal gehörig am Bart. Im Eifer des Gefechts und absolut ungewollt, wie sie später zu Protokoll gab. Das kleine romantische Schweriner Hotel war nur zufällig zum Zwischenstopp einer internationalen Menschhändlerbande erkoren worden, welche weder wussten, dass der 8.3. in Mekpom ein Feiertag ist, noch das die blonde Kommissarin Brigitte Hartling wie Bruce Willis, manchmal zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke!




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