Brigitte am Wasser
- Georg

- 18. Jan. 2021
- 4 Min. Lesezeit
3. Fall

1
An einem schönen Samstag, Brigitte hatte eine volle Woche Büroarbeit hinter sich, spazierte sie einfach so in der Junisonne am Pfaffenteich entlang. Sie brauchte das Licht, die Wärme und die Luft.
Eine Woche unermüdlich hintereinander im Büro, Kisten packen, Möbel schieben und Schränke einräumen, hing ihr in den Knochen. Aus Effektivitätsgründen wird die Abteilung der Polizei, in der sie arbeitet, in ein einziges Großraumbüro gepackt. Mit Chef auf der gleichen Etage. Im gesamten Haus, heißt das dann hinter der Hand "Fromme Welt". Sei es so, der Chef kann ja nix für seinen Namen. Brigitte war bislang mit den Arbeitsverhältnissen zwar eigentlich zufrieden und hätte nicht sagen können, was noch besser laufen könnte. Sie ist aber auch nicht der Chef und möchte es auch nicht werden.
Hier am Ufer, bläst ein laues Lüftchen, genau das, was sie gebraucht hat. Nach der Kontrolle der Wiese, legt sie ihr Jäckchen so in das kotfreie Grün, dass ihr Knackpo perfekt drauf passt. Der Rücken schuppert noch ein bisschen am Baum, bis sich die optimale Position gefunden wurde. Nur mal kurz die Augen schließen und dann gibt es ein Eis bei der Gelaterie Italia.
So richtig wegschlummern kann sie nicht, dafür fehlt dann doch die innere Ruhe. Als die Augen wieder offen sind, lässt sie diese, über die homogene Masse der kleinen Wellen gleiten. Nach einer Weile, bleibt der umherschweifende Blick immer wieder an einem grauen Etwas hängen. Zuerst stört sich Brigitte nicht daran, aber als das Etwas immer näher zu kommen scheint, erhebt sie sich geschmeidig wie eine Giraffe aus der Wiese. Mit zwei Sätzen, ist sie am Ufer. Es sieht nach einem Ballon aus. Grau, textil und unförmig! Der Wind treibt das Päckchen genau auf sie zu. Nach nur noch einer Minute, es stehen mittlerweile noch andere Spaziergänger am Ufer, dreht sich die schwimmende Insel um 90 Grad. Der nun zu erkennende Kopf, der auch mit minus 4 Dioptrien nicht mehr zu leugnen wäre, lässt Brigitte routiniert zum Mobiltelefon greifen. Nach dem wilden Traum an der Ostsee, geht Brigitte nicht mehr ohne aus dem Haus.
Nach dem zweiten Klingeln, nimmt Fromm ab. "Ja bitte?"
"Chef, ich weiß, es ist Samstag, aber es gibt da etwas, was sie wissen sollten!"
"Mensch, Brigitte, schönes Wochenende auch für dich, was'n los?"
"Eigentlich nichts Eiliges, es macht für den Betreffenden nichts mehr aus, dass Wochenende ist oder nicht. Ich bin zwar nicht Ärztin, weiß aber aus Lebenserfahrung, wenn jemand mit dem Gesicht nach unten im Wasser treibt, dann ist er tot."
"Mensch, du kennst doch das Prozedere, nichts Nachts und auch nichts am Wochenende finden!"
"Tschuldigung, das Päckchen kam einfach auf mich zu. Mich wegducken ging wegen der anderen Spaziergänger auch nicht mehr. Manchmal trifft uns das Leben hart."
"Mich nicht, wegen einer Leiche, komm ich doch nicht! Das machst du doch mit links und mit...äh.... unserer Laborratte!"
Bestens Chef, das wollte ich hören, schrie Brigitte innerlich. Äußerlich sagte sie
"Chef, dann hab ich aber was gut!" Und drückte auf den roten Hörer.
Um Punkt fünfzehn Uhr, trotte die Laborratte mit schwerem Gepäck auf die Wiese.
"Das sieht ja eher wie Peterchens Mondfahrt, als ein Nachmittag mit Freunden aus!" stellte Brigitte fest, als sie den schnaufenden Spurensammler begrüßte.
"Mach noch deine Witze darüber, dann lernst du mich erst richtig kennen!"
"Vielleicht möchte ich das ja?" federte Brigitte zurück! Aber erst die Arbeit, dann alles andere bitte!"
Und somit wurde das Ufer mit Treibgut zur Bergungsstelle und Anlandungsplatz im Protokoll! Foto hier, Foto da, von oben, unten, von Land, zu Wasser und aus der Luft, nichts war Peter unmöglich. Lange hatte der Mann im grauen Kittel, nicht im Wasser gelegen. Nach Rattentipp, und der ist fundiert, höchstens 20 Stunden. Er trug Koteletten bis zum Kehlkopf, fein gestylt und mit scharfen Konturen sowie einen extrem hippen Oliba, wie das wohl so heute heißt. In früheren Zeiten, hätte das Schnäuzer, Pornobalken oder einfach nur Bart geheißen. Das kurze Haupthaar, wollte für Brigitte nicht wirklich zu der aufwendigen Gesichtsbehaarung passen. Aber was verstand sie schon von Männern und ihren Macken. In der Brusttasche der Latzhose verbarg sich seine Brieftasche. Alles im allen, wirkte der Tote, wie einer, der schon lange nicht mehr lebte aber trotzdem erst vor kurzem starb. Brigitte fragte Peter, warum er nicht untergegangen ist, wie die meisten leblosen Toten im Süßwasser. Peter hatte natürlich eine Antwort auf diese Frage, so wie er scherzhaft vorgibt, auf alles eine Antwort zu haben. Er zelebriert sein Wissen. "
Du musst wissen, dass der menschliche Körper nicht automatisch schwerer ist als Wasser. Es hängt natürlich auch von Strömung und allgemeinen Wasserbewegungen ab. Aber das ist natürlich Glück für uns, dass der Pfaffenteich kein See im eigentlichen Sinne, mit Zu- und Abfluss, ist. Er ist eine von Menschenhand gemachte zehn Meter tiefe aber furchtbar romantische Pfütze. Erschwerend, ...äh...erleichternd kam hier hinzu, dass unter diesem speckigem Kittel viel zu viel Luft eingesperrt wurde, die nicht entweichen konnte. So trieb der Tote wie eine Boje im Wind über das Wasser!" "Nun müssen wir noch rausbekommen, wie der getriebene Tote zu dem wurde was wir hier vor uns haben, einem Treibopfer oder einem Triebopfer. Manchmal sind das erfahrungsgemäß ja die gleichen Dinge."



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