Volk(er) im Kaufcenter
- Georg

- 11. Nov. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Ich habe mich heute unters Volk gemischt. Zuerst habe ich drei Stunden verzweifelt versucht, dem Chaos des durch Demonstration verstopften F-Hains zu entkommen. Autos und Innenstadt vertragen sich nicht wirklich! Dann war ich Gast im Einkaufsparadies, nee Volks-Theater trifft es besser. Die Einkaufsgemeinschaften aus der nahegelegenen Kleingartenanlage kam auf den Parkplatz gerollt. Mühsam entkrempelten sie sich aus dem Untersatz. Hustend steckten sie sich jeder eine eine Zigarette an, brachten ihre Kleider sowie merkwürdige Haartrachten in Ordnung und holten aus dem überraschend großen Kofferraum des Corollas der zweiten Generation, zwei zum bersten gefüllte blaue Müllsäcke mit Einwegpfandflaschen zum Vorschein. Nachdem der Sargnagel auf den regennassen Parkplatz geschnipst wurde, legten sich die beiden älteren Frauen mit ihrem Oberkörpern auf die Einkaufswagen und schoben humpelnd mit üppigen Bäuchen die Drahtgeflechte in Richtung Pfandautomat. Ihnen entgegen strömte ein sich laut zoffendes Pärchen. Er schob ein mäßig gefüllten Korb und sie zeterte bis zum geht nicht mehr in Kraftausdrücken und Fäkalsprache! Worum es ging, konnte und wollte ich nicht mitbekommen. Ein kurzer Glücksmoment. Im Konsumtempel wurde es nicht besser. Man sollte den Businessheinis mal sagen, dass der durchschnittliche Rentner mit einem schweren Wagen keine Pirouetten um die im Weltcupslalomabständen aufgestellten Verkaufsstände und Regale machen können. Das Weihnachtszeug wird bald ganzjährig feil geboten. Zusätzlich kommt das WM-Fußballzeug, der nervige Karnevalskram und mannigfache tchiboaktionen. Vor lauter Spezialangeboten verliert der ungeübte Einkäufer auch gern mal die Orientierung und mäandert verloren zwischen Backzutaten und Nudelsuppen, bis die gleichaltrige aber wesentlich fittere Begleiterin ein Erbarmen hat und den älteren Herrn wieder mit nach Hause nimmt. Wahrscheinlich ist aber der Autoschlüssel in seiner Hosentasche die Versicherung des Mannes, welches ein entkommen der Frau verhindert. Denn nach mehreren Jahrzehnten, kann so ein Ausflug ja auch eine Chance auf Freiheit sein. Ehering hin oder her.
Insgesamt war mein Auftritt dort ein nötiger Zeiteinsatz, aber Spaß ist etwas anderes. Zwischendurch senkte ich den Altersdurchschnitt der Kunden auf einen Wert unter achtzig. Der Zauber wird sich mir wohl nie erschließen, warum sehr viele Menschen in vollzähliger Familienstärke die Gänge des Paradies verstopfen.
Ich habe mir heute ein Versprechen abgerungen. Falls ich irgendwann mal auch nicht mehr arbeiten muss, niemals tagsüber in die Warenschleuder des Einzelhandels zu gehen. Mal sehen, ob ich mich dann daran noch erinnern kann!




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