Urlaub vom Alltag
- Georg

- 10. Aug. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Mit dem Gott of Schlager

Hat man vom gekneteten und geknechteten Alltag vorläufig den Kanal voll, will man mal zur Abwechslung etwas Zweckfreies machen? Will man Seele und Körper eine Pause gönnen und sich trotzdem unter die Leute mischen? Dann kommt der Sommernachmittag mit Hardy Schwetter wie gerufen. In der Hofanlage der Kulturbrauerei gibt er mit seiner Bühnenfigur einen Galaauftritt, ein Freiluft, Freilicht und Freigeistspektakel. Das-große-Christian-Steiffen-Open-Air.

Ich gebe zu, diese Veranstaltung ist ziemlich Niedrigschwellig und man sollte das hier und sich selbst nicht zu ernst nehmen. Es wird beides geboten: Schlager und Kitsch. Das was da auf der Bühne verzapft wird, sind Volkslieder im besten Sinne. Christian for President! Konflikte und eigene unsichere Befindlichkeiten innerhalb von Generationen, Geschlechtern, Berufsständen oder sozialem Rankings, das alles lässt der Besucher während der Veranstaltung vor dem Kassenhäuschen zurück. Vielleicht haben wir Preußen grundsätzlich ein Problem mit Frohsinn ohne Anlass, aber das hier ist schon Opium für das Volk. Und wenn erstmal der ganze Innenhof der ehemaligen Bierb(r)auanstalt sich gemeinsam im seichten schunkeln wiegt, können die gewöhnlichen Drogen, die jeder so normalerweise nimmt, um das harte Leben irgendwie auszuhalten, auf die halbe Ration runtergefahren werden, zumindest für diesen Abend. Diese klebrige bonbonfarbene Glitzerwelt, die mit Texten nur selten über der Gürtellinie bleibt, wird mit absoluter Ernsthaftigkeit, Inbrunst und Augenzwinkern zu eingängigen leicht mitzuklatschenden und schwer zu widerstehenden Melodien perfekt inszeniert und wirkt auf die Massen vor der Bühne wie Valium und Koks gleichermaßen.

Das Volk vergisst ihren eigenen unperfekten Tross des Lebens und begibt sich, wie Lemminge, auf eine Welle der Illusionen und der heilen, glückseligen Schlagerwelt. Diese Reise könnte ewig weitergehen. Nur, dass man solch einen Wahnsinn nicht dauerhaft aushält. So hat das auch sein Gutes, wenn dieses ausreißen aus der Realität, diese Flucht auf den Ponyhof für Erwachsene nach mehreren bemerkenswerten Stunden, sein Ende findet. Meine Ohren werden noch länger klingeln, meine weichgespülte Seele sehr lange nachsichtig mit mir selbst und der Welt sein. Christians Texte, die manchmal wie Bedienungsanleitungen für das einfache Leben eines geplagten mittelalterlichen Mannes klingen, ein Schuft der da irgendwelche Parallelen sieht, gilt es zu hinterfragen und weitestgehend weg zu lächeln. Mit voller Überzeugung rufe ich euch zu, geht tanzen, hört im Zweifel sogar Schlager, aber macht vorallem keinen Krieg!

Ps: das Hemd leider auch




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