Spur des Wassers
- Georg

- 1. Dez. 2023
- 2 Min. Lesezeit

Immer mal wieder werde ich gerufen, wenn es unklare Befunde gibt. Nein, ich bin weder Arzt noch Kriminalbeamter. Ich bin Dachdecker. Ein schöner Beruf? Doch ja, ist man doch der, der den Deckel rauf macht, all das covert, was Maurer und Zimmermann gebastelt haben. Aber wenn ich doch Freude am Handwerk habe, konnte ich mich eigentlich nicht weiter von ihm verabschieden, als ich es während meines beruflichen Lebens getan habe.
Mit der Entscheidung als Selbstständiger zu arbeiten, kommen so viele Aufgaben hinzu, die nix mit Schrauben, Bitumen oder Dachziegeln zu tun haben, dass man getrost sein Zeug an den sprichwörtlichen Nagel hätte hängen können .

Buchhalter, Versicherungsfachmann, Berufsschullehrer, Rechtsanwalt, Manager, Psychologe, Entsorgungsspezialist, Personalscout und Kriminalspürnase - Abteilung Wasser.
Im Schadensfall soll ich dann möglichst in nullkommanix rausbekommen, wie es zum Fleck an der Decke, zur feuchten Wand oder schimmeligen Ecke gekommen ist. Als wenn die Aufgabe nicht schon genug wäre, sollte ich möglichst eine Art Pflaster, Spray, Creme oder Tablette dabeihaben, welche in Sekundenschnelle nicht nur die Symptome ungeschehen macht, sondern auch die Ursache für das Ungemach wirkungsvoll nichtig macht. Ich arbeite zwar mit meinem Bruder zusammen, aber ich bin weder Teil von den Ehrlich Brothers, noch kann ich sonstwie zaubern. Wenn ich von schwarzer Kunst spreche, meine ich keine okkulten Tätigkeiten, sondern die fachgerechte Verarbeitung von Bitumenwerkstoffen. Auch unter Nutzung des technologischen Fortschritts bleibt mir nichts anderes übrig, als mir fantasievoll vorzustellen, ich wäre Wasser 💦. Was würde ich machen, wenn ich eine Flüssigkeit wäre, wohin würde ich fließen, wenn …? Reichen mir Poren, genügen Temperatur- oder Konzentrationsgefälle um zu wandern, benötige ich eine Öffnung, um in das Bauwerk einzudringen, wohin dampfe ich ab, wo und wann fall ich aus der Lösung, wo sammle ich mich und nehme ich immer den bequemen Weg???? Das alles ohne Drogen!
Erstaunlich oft bin ich erfolgreicher als es die gewalttätige Größe der Aufgaben vermuten lässt. Ich bin der Überzeugung, dass an den Berufsschulen neben den anderen oben genannten Wissensgebieten auch Fantasie unterrichtet werden sollte. Vielleicht hätte dann das Handwerk weniger Nachwuchssorgen? Ein Versuch wäre es Wert!





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