Saskias Tag danach
- Georg

- 29. Mai 2022
- 3 Min. Lesezeit
Der Sonntag glitt an Saskia einfach vorbei. Die Köterrunde im Wald verbrachte sie wie eine Gefangene im Transporterstrahl vom Raumschiff Enterprise, wie ferngesteuert oder von großer Hand ins Hamsterrad gesetzt. Mechanisch leisten Saskia und der 🐶 Wauwau, die sieben Kilometer auf matschig schlammigen Wegen ab. Der Regen, der Saskia auf Heimweg von der Freilichtbühne noch erwischte hatte, weichte den Waldboden deutlich auf und machte ihn tonnenschwer. Das lang ersehnte Nass aus den Wolken, konnte Saskia die gute Laune aber nicht verhageln. Sie schwebt weiterhin beseelt von gestrigen Ereignis, oben auf den Wolken. Die Batterien sind erstmal wieder gut geladen, um den trüben fast freudfreien Alltag eine Weile klaglos auszuhalten. Als sie dann am Nachmittag in ihrer Wohnung auch den letzten nötigen Handschlag getan hatte und mit einer Tasse dampfender schwarzer Flüssigkeit in der Hand vor der Balkontür stand und in den trüben Tag glotzte, zog sie verschmitzt schelmenhaft den linken Mundwinkel fast bis zur Augenbraue, da sie sich an das Gespräch mit Leon erinnerte. „Weiß er eigentlich wie alt Du bist?“ fragt sie ihr Spiegelbild in der Balkontür. Sie sieht sich den Kopf schütteln. „Weißt Du überhaupt, wie alt er ist?“ wieder Kopfschütteln. „Ist dir das völlig Wurst?“ Erst jetzt ein Nicken im Spiegelbild. Saskia geht zum Sofa und macht es sich bequem. Im „Nummernverzeichnis“ des Telefons, steht tatsächlich unter „L“ eine niegelnagelneue Zahlenkombination! L- wie Leon, Lover, Looser, Latrine? Was weiß ich, was das mit ihm wird! Still fragt sie sich: Was will ich denn, was es wird? „Warum muss das eigentlich immer so kompliziert sein?“
Grade als der Regen einsetzte, gab’s am Späti im S-Bahnhof für die zwei Moabiter dann je eine Glasflasche mit Bügelverschluss. Als lebensverlängernde Maßnahme hätten sie sogar Stierbier genommen, aber es „flenst“ eben republikweit gut gekühlt auch zu nächtlichen Uhrzeiten. Leon und Wolle sind zwar von den zweieinhalb Sportstunden vor der Bühne auch nicht unbeeindruckt geblieben, aber dank ihrer überschaubaren Jahresringe erholen sie sich geschwind mit jedem Schluck des wohlschmeckenden therapeutischen Gerstensaftes.
Verlässlich ruckelt das Schienenfahrzeug aus dem letzten Jahrhundert, dinosaurierhaft alle Nachtschwärmer zurück in die Stadt. Am für eine einfache nur noch schwach gefüllte mitternächtliche S-Bahn überdimensionalen glaskuppelüberzogenden Hauptbahnhof, steigen die Zwei aus und stellen die leeren Flaschen neben den nächsten Mülleimer. Dann wackeln sie durch den Regen die Lehrter Straße hoch. Die Fabrik hat sicher noch offen und ein trockenes Plätzchen für feuchte Genüsse! Von der Fabrik aus, sind es dann um zwei für die Zwei nur noch ein paar wacklige Schritte in ihr Domizil. Wolle links, Leon rechts, Zähneputzen, Pullern, ab ins Bett. Junge Männer, sind eben auch nur etwas größere Kleine Jungs!
Der Sonntag fängt für Leon nicht mit dem Hahnenschrei, den es mitten in der Stadt ohnehin nicht gibt, sondern mit dem fetten Donnergrollen des Kirchengeläuts an. „Zwölf“ blöckt er unter seinem Kissen in das ansonsten leere Zimmer! Nur um sich seiner Erinnerung zu stellen, kramt er in seinem Handy nach der Telefonnummer von Saskia, so heißt sie doch, oder? Nicht anrufen, nicht anrufen, nicht -jetzt- anrufen, mahnt ihn seine innere Stimme!
Mit dem Blick aus dem Fenster, wird ihm wieder sehr schläfrig. Freundliches grau mit steinernen, bleiernen oder mausgrauen Abstufungen. Heute wird er nichts verpassen, draußen. Ein guter Tag für die Uni findet Leon und so greifen seine Hände, auf dem Weg zurück ins Bett, beherzt nach den zwei dicken Wälzern, die auf dem Tisch auf Bearbeitung warten. In der Waagerechten angekommen, drehen sich seine Gedanken immer noch um den gestrigen Tag. Er beginnt das erste längere Selbstgespräch des Tages „Sie hat nach meiner Telefonnummer gefragt! Wenn das kein Abwehrmanöver gewesen ist, was war es dann? Eine Vertröstung, eine Einladung? Und was, hätte ich mehr gewollt, als nur was trinken und was wäre dann mit Wolle?“ „Warum muss das eigentlich immer so kompliziert sein?“




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