Saskia und der Freitag
- Georg

- 26. Mai 2022
- 2 Min. Lesezeit
Es ist schon wieder Freitag und es ist wieder diese Bar….! Was sich anhört, als wäre es der Anfang eines deutschsprachigen Popsongs einer Stuttgarter Sprechgesangsformation, ist es vielleicht auch. (Hallo Thomas, Hallo, alles klar?) Auf jeden Fall ist es aber auch die wöchentliche Gewissheit, dass sich die Arbeits- und Studienwelt erst am Montag weiterdrehen wird.
Wolle ist aus seiner alten Heimat wieder zurück in Moabit und sitz mit Leon in der Tiergartenquelle. Sie trinken ihr erstes Wochenendbier. Eiskaltes Schultheiß aus dem Tonkrug. Mit stilvoll durchgedrücktem Rücken und erhobenen Kopf sitzen sie auf den harten Bierbänken. So oft es geht, prosten Sie sich aufmunternd zu und nehmen kleine Schlucke der Hopfenbrause! Leon, der wirklich fleißig war unter der Woche, ist grade in Begriff, seinem allerliebsten Nachbarn über den Auftritt der Band vom letzten Samstag mit begeisterten farbenfrohen Schilderungen zu berichten. Er ist sich nicht absolut sicher, ob er auch von seinen Auftritt bei der jungen Frau, die sie beide schon so oft gesehen haben, erzählen sollte. Was kann Wolle wohl mit dieser Information anfangen? Und setzt Leon sich damit nicht selbst unter Druck? Er hat die gesamte Woche benötigt, diese Sache nicht überzubewerten. „Warum muss das eigentlich immer so kompliziert sein?“
Saskia klingelt grade bei Frau Müller um ihren Leihhund nach einer großen waldreichen Runde, wieder los zu werden! Die Leine vom Hündchen hängt sie an den Türknauf, um dann selbst Leine zu ziehen. Jetzt tänzelt Saskia die Stufen zu ihrer Wohnung hoch. Ohne sich die Schuhe auszuziehen nimmt sie die Route zum Kühlschrank ein und gönnt sich im Lichte der schon rötlich schimmernden Abendsonne den Gesten-Hopfen-Cocktail auf dem Freisitz. Als die ersten genüsslichen kalten Tropfen des Saftes in ihrer Kehle nun endgültig das Wochenende einläuten, horcht sie in sich rein. Es gilt zu erkunden, ob sie in sich einen gesteigerten Weggehdrang finden kann und wenn ja, welches Bandtshirt der kleine Unruhestifter trägt. Eigentlich freut sie sich auf das Freilichtkonzert von morgen, aber deswegen den wunderbaren Freitag daheim zu sitzen, kann ja auch nicht das Weiße vom Ei sein, wie der Pförtner des Gerichtes immer sagt. Als der braunen Glasflasche auch der letzte Tropfen entlockt wurde, geht sie erst auf die Toilette und dann in Richtung Straßenbahn um im Dschungel der Großstadt sich ihre Scheibe Rock’n’Roll abzuschneiden. Nur dreimal umsteigen und siebzig Minuten später, steht sie in der Schlange des „Musik und Frieden“ und wartet gehörig drängelnd auf Einlass. Irgendeine kanadisch/australische Nachwuchsindieband! Für einen Nobody auf der Bühne ist es vor der Tür verdammt voll und für halb zehn noch ziemlich heiß, denkt sich Saskia. Endlich im Saal angekommen, ist Saskia der Meinung, sie könnte jetzt ohne weiteres an einem Miss Wetshirt-Wettbewerb teilnehmen, grauenhaft! Gottseidank ist der Saal nur schummrig beleuchtet und wenig nachdem sie ihren Flüssigkeitsverlust am Tresen begonnen hat auszumerzen, beginnt auch die Band mit dem Spiel auf der Bühne. Ihre Marter vergisst Saskia mit den ersten Takten der erdigen Bluesrocknummer und beim zweiten Song wackelt und zappelt sie schon mit der Masse der bewegungsfreudigen Nachtschwärmer im Takt der Instrumente. „So kompliziert ist es doch gar nicht immer!“




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