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Na bitte, Brigitte! Krimi in acht Teilen

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 4. Jan. 2021
  • 7 Min. Lesezeit

2.

Die erhoffte Hilfe möchte Brigitte von einem vermeintlichen Insider der Kunst und Kulturszene des Nordostdeutschen Bundeslandes erhalten. Offen gestanden, hat sie selbst manchmal Zweifel an dem Bestehen dieser Szene. Aber Totgesagte, leben länger und so gibt sie die Hoffnung auf zielführende Tipps nicht auf. Willy, so heißt die Stimme die Brigitte nun aufsucht.

In der Gewissheit, dass die Künstler, oder alle die sich selber zu dieser sterbenden Randgruppe der Gesellschaft zählen, um diese unchristliche Uhrzeit noch im Bett zu finden sind, steuert sie den fahrbaren treuen Japaner zielsicher zu der Adresse, von der sie der Meinung ist, dass das Bett von Willy sich dort befindet.

Mit quietschenden Reifen bringt sie das Brigittemobil zu stehen. Genau so, dass sie aus der Tür in den Garten der Nr. 13 fällt. Nun umrundet Brigitte das Haus und geht gradewegs zur leicht angelehnten Terrassentür, klopft einen geheimnissvollen Code aus zweimal schnell und laut und drei mal lang und leise. Kurz darauf ertönt ein verschlafendes „ Herein, wenn´s nicht Bridge ist“!

Manche Dinge ändern sich wohl nie! Es hat nun Jahre zurückgelegen, dass Brigitte ihren alten Spitznamen aus der Schule gehört hatte und nun hat es keine zwei Sekunden gedauert, das Sie den alten Geruch des Schulhauses wieder in der Nase hat. Auch wenn Brigitte Willy schon genausolange nicht mehr gesehen hatte, wie sie Ihren Spitznamen gehört hatte, wusste Sie doch auffallend gut über ihre alte Schulfreundin bescheid. Berufskrankheit, entschuldigt sie sich unaufgefordert bei sich selbst und bei Willy. Wilhelmine Bergfried, so ihr eigentlicher Name. Aber jeder und sie selbst nennen sie einfachWilly.

Noch bevor Willy die Augen wirklich aufgeschlagen hat, qualmt ein Tabakstummel zwischen ihren vollen Lippen. Kein Wunder, dass sie auf jedem Foto der letzten dreißig Jahre, nie ohne Rauchkringel abgelichtet wurde. Und als wären die letzten Jahrzehnte ausgeblasen wie der Rauch der Rothände, fängt Willy an zu schwatzen ohne sich zu wundern, was um alles in der Welt die, Verzeihung, A L T E Schulfreundin nach all der Zeit, quasi mitten in der Nacht, in ihrem Schafzimmer macht!

Es connected wieder sofort zwischen den beiden Frauen. Wie am Anfang der sechsten Klasse, als Wilhelmine mit ihrer 26 Jahre älteren Kopie, Frau Mutter und frisch geschieden, aus der Hauptstadt in die beschauliche Provinz zog und somit das Fräulein Tochter in der Plattenbauschule am Stadtrand neue Freunde finden musste.

Sogleich fand sich das kongeniale Duo der Unzertrennlichkeit zusammen.

Zwei Mädchen, die nicht unterschiedlicher sein konnten. Die Eine, mathematisch gerastert, logigbasierend die Welt wahrnehmend, nur an das Sichtbare und Zählbare glaubend. Die Andere, gefühlsgeleitet, kunstbesessen, verträumt bis zur Realitätsverdrängung, Beide, auf den Gebieten ihrer jeweiligen Steckenpferde, außerordentlich talentiert und was auch nicht unbemerkt blieb, jede für sich, ein sehr unterschiedliches Musterexemplar einer Verbindung von geistiger und körperlicher Schönheit.

Aber das ist alles sehr lange her und die Unzertrennlichkeit der Schuljahre wich einer fast dreißigjährigen Funkstille aller nur denkbaren Kommunikationen zwischen den Beiden. Es wurden einfach nach den letzten Sommerferien verschiedene Wege eingeschlagen. Aus Bridge wurde wieder Brigitte auf der Polizeischule des Landes und Willy ging erstmal mit ein paar flüchtigen Bekannten, mit an die Ostsee um selbstgemachten Modeschmuck an Hinz und Kunz mit sächsischem Zugenschlag zu verkaufen.

Was die beiden Frauen aber die ganzen Jahre trotz aller Unterschiedlichkeit und unterschiedlichen persönlichen Belastungen nicht davon abhielt, heimlich den weiteren Lebensweg der Anderen zu verfolgen und somit auch möglichst den genauen Aufenthaltsort der Anderen zu kennen. Es könnte ja mal sein, dass man an der eigenen Achillesferse, dem Steckenpferd der jeweils Anderen, Hilfe braucht. Schließlich halfen sie sich so gegenseitig über die unmenschlichen Anforderungen der Schulprüfungen und das schweißt offenkundig doch für ewig zusammen.

Und nun ist es an der Zeit, dass aus Brigitte zumindest zeitweise wieder Bridge wird und die gereifte und best ausgebildete Kunstsachverständige des Landes, die wenn man den kursierenden Berichten glauben schenken kann, noch immer ein sehr gutes und lebendiges Verhältnis zur alternativen unorthodoxem nichtakademischen Nachwuchs unterhält, nach Rat zu fragen.

Beschwingt schaukelt sich die splitterfaser nackte Willy komplett enthemmt aus dem Bette und wickelt sich in den über der Lehne des Ohrensessels wartenden Kimono. Aus der Stoffmenge die für diese Prachtstück Verwendung fand, hätten die Gebrüder Montgolfier auch ihren Heißluftballon schneidern können.

Auf dem Weg in die Küche folgten den beiden alten Freundinnen eine nicht näher bestimmbare Anzahl an Katzen, die sich fortan um die vier Waden wickelten und merklich zu mauzen, Bridge hätte betteln gesagt, anfingen.

Nach der ersten Notversorgung mit einem Viertel Liter Soja-Biomilch, widmete sich Willy den Zweibeinern. Die größte und best gepflegteste echt italienische Kaffeemaschine die nördlich der Alpen in einem Privathaushalt steht, braucht leider mehre Minuten, ehe sie Betriebstemperatur erreicht hat. Dafür zaubert dieses Meisterwerk der lombardischen Ingenieurskunst den beiden Frauen ein magisches Lächeln ins Gesicht, was kein noch so begabter Liebhaber, Italiener hin oder her, je hätte schaffen können. Es zahlt sich eben doch aus, dass man sich um die wirklich wichtigen Dinge des Lebens selber kümmert und es nicht dem Zufall überlässt ob der Start, mittlerweile 11.33 Uhr, gelingt oder nicht!

Am Hochtisch zwischen Maschine und Kühlschrank platzgenommen, nimmt Willy nun erstmal Bridge in den Arm und vergießt eine Schönheitsträne, die auf ihrem Wangenknochen thront und die Feierlichkeit des Augenblickes würdigt. Nun schwächelt die ach so strukturierte Polizistin und ist sprachlos. Nach der zweiten Tasse des lebenseinflößenem Elixiers, fängt sie sich und lenkt das Gespräch in eine Richtung, die dem Grund ihres überraschendem Überfalls erklärt. Aus einem Briefumschlag holt sie nun mit einer flüssigen und fast beiläufigen Bewegung einen kleinen Stapel Fotos heraus. Es sind Abzüge der Kriminaltechnischen Abteilung, die aus verschiedenen Blickwinkeln die respektlose Verschandelung des Schlosses eingefangen haben.

Bevor sich Willy den Stapel neben die Kaffeetasse zieht, scherzt sie über die technische Ausstattung der Staatsdiener, „ immerhin in Farbe, wenn schon nicht Digital“. Nun bittet Bridge ihre alte Freundin ersteinmal um eine professionelle Einschätzung des Sachstandes und danach um ggf. Aufklärung über Sinn, Unsinn, Art und Weise und Zweck der Tat, wenn das irgendwie aus der Darstellung abzuleiten wäre!

Das erste was Willy macht, ist ein Daumenkino, nicht zuletzt um die Fliegen zu verscheuchen, die ein Wärmebad in der Nähe der Kaffeetassen nehmen. Dann legt Willy die Bilder schön fein säuberlich auf die aalglatte und erstaunlich saubere Tischplatte.

Bridge stellt mit Verwunderung fest, dass sie die Bilder sofort, scheinbar von Geisterhand gesteuert, nach Quer- und Hochformat und die Detailaufnahmen richtig herum, vom Stapel zieht und auf den Tisch packt.

Puh, ist ihr erster vernehmbarer Ausruf.

„Willy“, hebt die Kommissarin an, „du bist meine letzte Chance dem Sinn der Schmiererei näher zu kommen. „

Bei der Landeskuratorin für Bildende Kunst, ziehen sich die ungezupften Augenbrauen zusammen, schließen die Lücke des Nasenbeins und bilden eine furchteinflößende Monobraue.

„Ob das nun Sachbeschädigung ist oder nicht, mag ich nicht beurteilen aber es ist auf jedenfall großartig! Handwerklich sauber und konzeptionell einzigartig auf Landes-, wahrscheinlich Bundes-, ach was, Europaebene.“

„Ok, Ok, eins nach dem anderen. Sag mir alles was du darüber weißt und vor allem W A S ist das!“

„Hey, da du in deiner beruflichen Funktion hier bist, werde ich dir nicht alles sagen können was ich ich weiß.“

„Das musst du aber, sonst“

„Sonst was?“, fällt Willy ihr ins Wort!

Halt, Stopp! Sagt Brigitte zu sich selbst, langsam.

„Sonst, weiß nicht, ich bin nicht gekommen dir zu drohen, nichts würde mir mehr weh tun. Ich möchte nur dem Geheimnis dieser, sagen wir Bilder, und dann den Tätern näher kommen“

„Ich werde sie weiterhin statt Täter, Künstler nennen auch wenn das für dein Bewertung keinen Unterschied macht“

„Die Bewertung mache nicht ich, ich sammele nur die Fakten. Bewerten werden diese der Staatsanwalt und gegebenenfalls der Richter. Privat habe ich keine vorgefertigte Meinung zu solchen Vorkommnissen. Ich mach nur meinen Job!“

Kurze Kunstpause am Küchentisch.

„Willy, bitte sage mir, nur dass ich es verstehe, mit was ich es hier zu tun habe!“

„Oh, das kann ich ganz sicher, es ist Kunst, große Kunst! Und Kunst ist frei, sie muss nix und kann alles, so ähnlich wie die fünfte Jahreszeit!“

„ Häh?“

„Man, Karneval!“

„Och nö, du weißt, dass ich das in der Schule immer so schnell wie möglich hinter mich brachte. Kurz in den Schminkkasten nicken und mit dem feuchten Taschentuch des großen Bruders verwischen, dann dem Sammelsurium aus allen verfügbaren Kleiderschränken den bescheuersten Namen geben der mir einfiel, während der Disco schnell noch ein ansehnliches Knutschopfer suchen, bevor es nur noch nach Bier und Kirschwasser schmeckt.“

„Ja , klar weiß ich das noch, ohne es jemals zu verstehen. Das war immer meine Feierwoche und ich hab es ab Klasse 9, nicht mehr beim knutschen auf den Mund gelassen…...“

„Hey, das bringt mich kein Stück weiter auch wenn die Erinnerungen im Einzelfall liebend gerne hier auf dem Tisch landen könnten!“

„Yes, mein Mädchen, kein Stück. Also nähern wir uns dem Grund deines Besuches.

Es soll bestimmt ein Schwarzes Loch sein!“

„So wie in meinem Portemonnaie? Nee, war nur ein unangemessener Witz. Das sind die Dinger im Weltall, oder“

„Kennst du noch andere, von deinem Geldbeutel abgesehen?“

„Neeee, ja aber was hat das zu bedeuten und was ist das hier und hier hinten diese hellen bunten Stellen mit den Dingen, die so aussehen wie Dollarzeichen, was ist das?“

„ Oh, das sind sicher Dollarzeichen!“


ree

„So einfach ist das?“

„So einfach ist das!“

„Aber, was heißt das, was hat es zu bedeuten?“

„Jetzt bewegen wir uns in das Land der Mythen, Fabeln und möglicherweise auch krankhaften Interpretationen.“

„Dann ist es doch nicht so einfach?“

„Nein“

„Wäre ja auch sonst zu einfach gewesen, frag die Willy und schon scheppert die silberne Acht um die Handgelenke der Schmierfinken.“

„ Ja, Bridge, ich fürchte, ich kann dir jetzt nicht mehr sagen. Aber ich verspreche dir, schon wegen unserer gemeinsamen Jahre auf der Schulbank, dass ich mich entsprechend vorsichtig umhören werde und wenn es etwas gibt, was dir helfen kann, bin ich die Erste die deine Nummer wählt.“


Auf dem Weg durch die Küche und den Flur in Richtung Wohnungstür merkte die Gästin, wie sie aus der Bridge-Figur zurück in die Rolle der Brigitte schlüpfte. Draußen im Auto hielt sie kurz inne, um die zweieinhalb Stunden zu verarbeiten, zu sortieren und katalogisieren.

Erst jetzt stieß sie sich an der Willys Formulierung, dass sie mir nicht mehr sagen k-a-n-n. Bedeutet das, dass sie es nicht will oder kann? Was soll das bedeuten, sich v o r s i c h t i g umzuhören. Ist Kunst viel gefährlicher als man landläufig annimmt und worin liegt die Gefahr?

Brigitte beschlich die Ahnung, ihre alte Schulfreundin bald wieder zu sehen, so oder so.

 
 
 

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