Mein Vormittag im Wartezimmer
- Georg

- 24. Nov. 2020
- 2 Min. Lesezeit
Gestern habe ich es endlich geschafft, mit der Facharztpraxis zu telefonieren, zu der ich überwiesen wurde. Nach einleitendem freundlichen Wortgetausch, fragte ich nun wann ich meinen Körper zur Begutachtung vorbei bringen könne. Daraufhin glaubte ich mich verhört zu haben."Wir sind zwar sehr voll, aber kommen Sie mal um acht!" Ich darauf mit ungewohntem stottern " M... M...M... M... Morgen?" "Ja, ja, wir schieben Sie dazwischen!" Entweder, ich bin am Telefon sehr überzeugend gewesen oder meine Versicherungskarte war die Richtige. Sei 's drum!
Überglücklich, stricke ich meinen geplanten nächsten Arbeitstag um und stehe fünf vor acht als sechster auf dem Pankower Bürgersteig bei 2 Grad über Null! Zu früh, ist eben auch unpünktlich! Dann in der Praxis, gebe ich den Papierkram ab und setze mich auf den letzten freien Korbstuhl. Kaum vorstellbar, dass dieser für irgendjemand bequem sein soll. Wenn der durchschnittlichen große, nicht übergewichtige Mann mittleren Alters, noch keine Haltungsschäden oder Rückenschmerzen hat, bekommt er spätestens jetzt welche. Nach und nach werden die wartenden Patientinnen (denn es sind ausnahmslos Damen ab 40) von den Frauen am Tresen befragt. Dank Corona mit Abstand und für alle anderen zum mitschreiben. Datenschutz sieht anders aus. Irgendwann bin ich an der Reihe und ich versichere der Fragenden, dass alle Kontaktdaten und mein Begehr genau jene sind, welches auf der Überweisung und dem beiliegenden Laborbericht stehen. Augenrollend "bedankt" sie sich und erklärt mit einem Blick in ihren Computer das Gespräch für beendet. Ich gehe zurück ins Wartezimmer und weiß nicht genau, ob ich mich wieder hinsetzen möchte. Die Schlange der Wartenden vor der Praxis entscheidet die Frage. Selbst nach dem ich den Morgenkaffee weggebracht habe, ist das Folterinstrument noch frei und ich falte mich wieder zusammen. Irgendwie ist eine Menge Bewegung, ein Kommen und Gehen in den Räumen, ohne das ich einen Fortschritt erkennen kann. Das System bleibt mir unverständlich verborgen. Patienten werden mit merklicher Berliner Schnauze, welche keinen Widerspruch zu dulden scheint, von hier nach da geordert, in Nachbarräume verfrachtet und anderweitig betreut, ohne das ich den Herrn Doktor auch nur einem Hauch näher komme. Inzwischen hoppeln und hippeln auch andere Männer mit schmerzverzerten Gesichtern auf den Korbstühlen herum und ich weiß jetzt wenigstens, dass ich ganz normal bin. Niemand der zum Arzt geht, erwartet eine Wellnessfarm und so sollen Wartezimmer wohl nicht bequem oder gar gemütlich sein, aber man hat doch Hoffnung, dass man gesünder vom Arzt zurück kommt, als man hingegangen ist. Wenn Ärzte keine wartenden Patienten haben wollen, können sie es doch gleich draußen an die Tür schreiben.

Ach, der hier macht das auch. Und dann ging's doch schnell. Zwischen Herrn Müller und Frau Mayer werde ich, wie versprochen, geschoben. Reingerufen, platzgenommen, rumgedoktert. Ich hoffe, er heilt besser als es sein Organisationstalent vermuten lässt. Was er sagte, klang dann aber prima. Nach der Untersuchung einigten sich der Medizinmann und ich darauf, die Medikation zu halbieren und auf das Beobachten meiner Werte. Also, bis in acht Wochen dann......und nach nur drei Stunden war ich wieder frei!




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