Mein irisches Wochenbuch
- Georg

- 4. Apr. 2023
- 2 Min. Lesezeit

Die Aufregung und Strapazen des Fluges stecken mir noch in den Knochen, da kommt der Schock der Autovermietung dazu. Im Internet haben wir bei einem deutschen Vergleichsportal gebucht, Verleiher ist ein großer weltweit aktiver Vermieter, der wiederum einen örtlichen Veranstalter hat. Da soll einer durchsehen! Die Dame am Tresen war sehr bestrebt, noch ein kleines bis mittleres Zusatzgeschäft mit der Dämlichkeit der nicht muttersprachlichen Touristen zu machen. Einen Zuschlag hierfür und eine Zusatzversicherung dafür und bezahlen muss man nichts, denn es wird ja alles auf die Kreditkarte gebucht. Hä?
Da man ja nicht kleinlich ist und für die freien Tage keinen Stress will, unterschreibt man alles und ist dann auf der falschen Straßenseite durch den irischen Frühling unterwegs. Irgendwann meldet sich der Magen und die Gewissheit, das im Ferienhaus nur ein leerer Kühlschrank warten wird. Beides wird im Einkaufszentrum unterwegs bekämpft. Dann gehts über kleine spinnennetzartig verteilte Sträßchen, entlang an wirklich grünen Wiesen, über einsame Hochmoore, durch quirlige Städtchen, über steile Hügel und durch tiefe Täler. Irgendwann, fast ausversehen, hielt ich vor einem Häuschen, kaum größer als das Leihauto, an. Angekommen!, am Domizil für eine Woche. Ein ursprünglich uraltes Armeleutehäuschen, liebevoll in Ordnung gebracht und für den jetzigen Verwendungszweck ertüchtigt. Bis zur großen Hungersnot um 1850, wohnte hier eine Familie mit 10 Kindern. Nicht vorstellbar, aber geschichtlich belegt! Ich wäre unter diesen erbärmlichen Umständen auch selbst von diesem lieblichen Ort, hier Mittendrin im Nirgendwo der Wicklowmountains, ausgewandert.
Angekommen bin ich aber auch, in der dringend benötigten Pause vom Alltag.
Angekommen um Dinge zu finden, von denen ich mitunter keine Ahnung hatte, dass sie existieren.

Die Welt ist eine Scheibe

Der Elefant der aus dem Meer steigen möchte

Der geheimnisvolle Mister G., der "Ginsterman"

Fünf selig fette Robben

Frisch gekämmte Steine in der Brandung

Eine frisch gemähte Mauer

Son in the sun at the sea side

Irlands stärksten Mann der Welt in Europa

Immergrüne Bäume, auch ohne Blätter
Eine der schönsten Sachen ist aber, der Genuss Zeit zu haben! Es nicht wichtig ist, ob man um Punkt sieben aus dem Haus rennt, weil man sonst sein selbst auferlegtes oder fremdgesteuertes Tagesprogramm nicht mehr schafft.
Und weil man auf einmal Zeit hat, wird es noch einmal schwierig. Urplötzlich und ohne Training soll man sich mit sich selbst und seinen Mitreisenden beschäftigen. Es scheint mehr Zeit da zu sein, als es nötig erscheint, um nur kurze Befehle entgegen zu nehmen oder bestenfalls loszuwerden. Zeit für Gespräche oder Spiele, gemeinsames Mittagessen oder ausgedehnte Spaziergänge! Zeit, die für im Alltag vernachlässigte Dinge. Schafft man es doch unter dem Jahr grade noch so, seine sterbliche Hülle halbwegs in Ordnung zu halten, so bleibt die Seele meist unbeachtet und damit sträflich vernachlässigt. Dafür ist eben jetzt Zeit! Umgeben nur von Menschen die man mag, Kommunikation nur mit Menschen die man mag, wenig Zwänge und nur mäßig Stress. Es gibt Menschen die finden das „Runterkommen“ in der Kleingartenanlage um die Ecke oder auf einer Segeljacht in der Karibik oder auch bei einer Safari in der Serengeti. Bei mir schalten sich die meisten inneren Stressfaktoren aus, wenn ich auf dem abwechslungsreichen irischen Festland unterwegs bin. Alle Wetter, sehr freundliche und wirklich hilfsbereite Einheimische, vielfältige Anforderungen und vortreffliche Erfahrungen lassen es auf sehr angenehme Art vermuten, dass ich noch am Leben bin und zumindest kurzfristig aus dem Hamsterrad aussteigen konnte.




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