Klassentreffen
- Georg

- 25. Aug. 2021
- 2 Min. Lesezeit

Zur Zeit findet die Terminsuche für ein Klassentreffen, Abgang 1986 statt. Bin ich nervös? Nur ein bisschen, eher gespannt, mittelmäßig freudig aufgeregt. Ungefähr 6,5 Bang, auf der nach unten offenen Coolnesscala.
Klassentreffen, das ist doch die einzige Veranstaltung die ich kenne, von der eigenen Beerdigung mal abgesehen, bei der man das Eintrittsrecht erhält, ohne wirklich etwas gerissen haben zu müssen. Sei es drum!
Klassentreffen, das ist auch die Veranstaltung, bei der bestimmt Einige wieder nichts zum anziehen haben werden, man sich wahlweise von seiner Schokoladenseite zeigen kann, sich gänzlich neu erfinden und allen anderen einen gewaltigen Bären aufbinden oder sich ganz normal verhalten kann. Hier kann man dann hoffentlich beobachten, was aus dem frechen großen Jungen aus der ersten Bankreihe geworden ist, wie sich die Prinzessin von hinten links so gemacht hat oder der introvertierte Spätentwickler nun doch ganz groß rausgekommen ist. Hier stellt sich viel zu früh und unerwartet heraus, wie doll der aller beste Banknachbar, all die Jahre von einem vermisst wurde. Und welche Sticheleien von schräg vorn schon immer blöde waren. Fett verschorfte, dauernd eiterne Wunden oder schon fast unkenntlich verblasste Narben auf der zarten Schülerseele werden mit der Drahtbürste des Augenblicks freigelegt und können spontan sintflutartig zu bluten anfangen. Wenn ehemalige Lehrer geladen sind und die Stirn haben zu erscheinen, hat man die seltene Chance, das ultimative Paybackverfahren einzuleiten. Was immer das im Einzelfall auch für Auswirkungen haben kann. Wenn man einige Ehemaligen erst beim zweiten hinsehen erkennen sollte, muss das auch nicht nur an den veränderten Gesichts- oder Körperformen der Ehemaligen liegen. Rein theoretisch besteht ja auch die Möglichkeit, dass die eigenen schwächelnden Augen oder die mangelnde Kraft der Erinnerung oder eine Mischung aus beiden, Grund für die nicht sofortige Wiedersehensfreude ist.
Klassentreffen, das ist doch hoffentlich auch einer dieser Abende, an denen kompromittierende Fotos die Runde machen. Anekdotenmixturen aus Fakten und Fiktionen unterschiedlichen Anteils, solange zum Besten gegeben werden, bis sich auch der letzte Balken biegt.
Klassentreffen, das können auch Momente des Erinnern sein. Ergriffenne oder verpasste Chancen, gemeinsame Erlebnisse, Leidens- oder Freudenmomente werden vom Boden des Erinnerungssees an die Oberfläche, für alle sichtbar hochgespült. Eines hat es bei mir schon im Vorhinein zu Tage gefördert, die kindhafte Ungeduld. Jungs werden eben nur 9, von da an, wachsen sie nur noch ein bisschen!




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