Ich und die Anderen
- Georg

- 25. Nov. 2019
- 2 Min. Lesezeit
Ich weiß, der Titel ist geklaut. Aber, er passt doch zu jedem von uns allen, auch wenn man keine psychosozialen Probleme hat, wie man selbst glaubt. In Jedem stecken einige Andere und in mir stecken jede Menge, zum Teil sehr unterschiedliche, Georgs! Alle Stimmen stimmen, jede auf ihre Weise. Bin ich doch zum Beispiel ein Großstädter und trotzdem sehr gerne der Naturfreund, der Stunde um Stunde, bei fast jedem Wetter, draußen unterwegs sein kann. Genauso gern bin ich in einer illustren Runde am Quatsch machen. Höre gebannt sowie interessiert zu und hin und wieder rede ich auch gerne. Manchmal sportele ich ein bisschen und manchmal liege ich supergerne einfach auf dem Sofa und schimpfe über das Fernsehprogramm. Hin und wieder bin ich engagierter Hobbykoch und ab und an unmotivierte Putzkraft in der eigenen Wohnung. Der am meisten andere Georg werde ich jeden Morgen in der Arbeitswoche. Ich schlüpfe in meine Rüstung. Damit lege ich viele meiner sonstigen Vorlieben und Verhaltensweisen beiseite. Ich spiele dann leidenschaftlich, für den Zeitraum in dem ich Kluft trage, Bauarbeiter! Klischeehafter kann es nicht sein. Nicht nur die Sprache wird verrohter sondern auch der Gang wird schlürfiger und die Körperhaltung wird weniger identifizierbar. Ich merke, da ich nun Teil einer größeren Gruppe bin und nicht mehr nur der Georg, dass mir viel Eigenverantwortung abgenommen wird. Da man allgemein von dem Teil der Bevölkerung in Bauuniform eh nur bedingt erwartet, dass sich dieser vernünftig benimmt, sind Menschen welche es mit mir dann zu tun haben, oftmals fast positiv bestürzt, dass ich ab und an zusammenhängende Sätze zu Stande bringe, nicht fortwährend die Nase hochziehe oder dauernd ausspucke. Ich stinke nicht nach Zigarettenrauch und habe gewöhnlich auch keine Alk-Fahne. Auch wenn ich freundlich und hilfsbereit zum Beispiel einer fremden jungen Mutter mit Kinderwagen die Treppen hinauf helfe, werde ich oft staunend und verständnislos von den übrigen Passanten kopfschüttelnd angeglotzt. Es ist für mich an jedem einzelnen Tag ein harter aber nicht aussichtsloser Kampf, nicht den vorherrschenden Erwartungen vom ungepflegten Bauhotten zu entsprechen. Ich warte auf den Tag, an dem ich mich dabei erwische, einem beliebigen wildfremden blutjungen Rocktragenden Menschen hinterher zu pfeifen (das laute pfeifen, müsste ich dann auch noch lernen). Dann wäre für mich der Augenblick gekommen, endgültig finale ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am Abend, nachdem ich wieder gesäubert und in zivil unterwegs bin, tausche ich die Bauarbeiterrolle wieder herzlich gerne mit der, des treusorgenden Vaters zweier von der Pubertät geplagter Kinder und ab und an mit der des Freundes oder des Liebhabers. Sachen gibt's! Das sind dann aber ganz andere Geschichten!





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