Da fliegt mir doch das Blech weg
- Georg

- 7. Jan. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Jan. 2024

"Er fragt mich: Wann hört ihr endlich damit auf
Uns're schwarze Musik zu klaun?
Er kaut mir ein Ohr ab und quatscht mich voll
Und zuerst weiß ich auch nicht, was ich sagen soll
Dann sag ich: Alter, ich steh nun mal auf Jazz und Fund. Bei Wagner muß ich kotzen und bei Mozart werd' ich krank
Da fliegt ihm glatt das Blech weg (Mm, hm)"
Mehr fällt mir spontan nicht ein, besser kann ich es nicht auf den Punkt bringen. 1982 wussten Spliff , alias Lokomotive Kreuzberg, also die Nina Hagen Band schon, was ich heute empfinde. Respekt!

Hier der "fünfte Beatle"
Mit Freunden wollten wir einen schönen Abend in Wohnortnähe erleben. Kneipe zum quatschten mit Musik, am Besten live. Im P-Berg ohne Eintritt. Was klingt wie die eierlegende Wollmichsau, war leichter zu finden als gedacht und mittels telefonieren war auch ein Tisch in der ersten Reihe zu reservieren. Bingo, mal sehen, was als nächstes passiert!
Hoffnungsvoll machten wir uns auf dem Weg. Bluesrock von altgedienten Haudegen war offenbart worden. Gefunden wurde eine Veranstaltung der Superlative. Wenn man mit Mitte fünfzig den Altersdurchschnitt der Besucher beim eintreten in eine unscheinbare Kneipe senkt, schreit mein Alarmsystem "Achtung"! Zu unrecht, wie sich in diesen Fall rausstellt. Die freundliche Bedienung war derartig flott unterwegs, dass Getränkewünsche erfüllt wurden, bevor diese kund getan wurden. Selbst der 77 jährige Betreiber der Örtlichkeit, offenbar eine lebende Legende, legte beim lüften der Räume geschickt selbst Hand an und hatte ein offenes Ohr für seine Gäste. Mit dem Tisch in der nahezu erster Reihe zur Bühne, wurde es unmöglich der Leidenschaft, Hingabe und Perfektion der professioneller Darbietung zu entkommen. Die Energie der musikalischen Kraft schwappte auf uns über und beseelte, besetzte und übermannte uns, als wären wir seit mindestens 53 Jahren infizierte ausgewaschene, ausgebeulte mit Stickern übersähte Jeansjacken tragende Blueser mit einem Stilkamm in der Gesäßtasche der gleichartigen Hose. In jenen Moment, dort in der Runde der andächtig lauschenden oder verzückt zappelnden Menschen, hab ich mir genau das gewünscht! Unmöglich mit den Beinen nicht den Tackt mitzustampfen, vergebens nicht mit den Händen laut und alles andere als zurückhaltend die Melodie mitzuklatschen. Frauen, die ich für vernunftbegabt und qua ihrer Lebensleistung für bodenständig und kultiviert hilt, mutierten innerhalb einer halben Stunde zu enthusiastischen Groopies. Ein paar alternde weiße Männer auf der Bühne spielten die Musik des schwarzen Amerikas und wirklich niemand interessierte sich für den überempfindlichen Komplex einer eventuellen kulturellen Aneignung. Wir hatten einfach einen sehr schönen Abend!
Ich musste wirklich erst so alt werden, um eine authentische Atmosphäre für musikalische Unterhaltung nach meinem Geschmack in unmittelbarer Umgebung zu Spielplätzen meiner Kinder, zu Wirkungsstätten meiner beruflichen Tätigkeit, zu Restaurants der gelegentlichen Abendgestaltung, zum erweiterten Wohngebiet gefunden zu haben. Ich bin halt nicht immer der schnellste aber ich liebe Zufälle und Überraschungen !





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