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  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 24. Nov.
  • 8 Min. Lesezeit

Brigitte, wider Willen

Brigitte von hinten
Brigitte von hinten

Wahl

Die Jahre plätschern so dahin. Brigitte Hartling ist eine durchschnittlich motivierte Frau, welche in vielerlei Hinsichten deutlich agiler und wacher wirkt, als das Geburtsdatum im Ausweis vielleicht vermuten lassen könnte. Das liegt wahrscheinlich an ihrer emotionalen Struktur, die Dinge des Lebens eher sachlich zu bewerten, an dem unaufgeregten Berufsleben in der friedlichen norddeutschen Tiefebene oder an dem überschaubaren Abwechslungen im privaten Bereich.

Zudem bringt sie eine beneidenswerte Selbstdisziplin mit die dafür sorgt, dass all ihre, in früheren Jahren antrainierten körperlichen Fähigkeiten, bestmöglich zu konditioniert werden. Mit allen Versuchungen des Lebens geht sie sparsam um. Es verhält sich bei ihr beim Essen, Trinken, Männern und anderen Ablenkungen ziemlich ähnlich. Ja, ein bisschen ist okay, aber immer maßvoll und ohne Selbstaufgabe oder gar Suchtgefahr. Ingesamt darf man sich die nun Anfang 50 jährige Kriminalhauptkommissarin bei der Schweriner Polizei ungefähr folgendermaßen vorstellen. Gott nahm sich einen Klumpen Lehm oder wenn man daran glauben möchte, Adams Rippe und formte daraus eine wohlproportionierte attraktive und charakterstarke Blondine mit taudickem Pferdeschwanz. Ausgestattet mit überdurchschnittlichem Spür- und Kombinationssinn und kleinen aber nicht komplett hinderlichen emotionalen Ödnissen. Kurzum, so wie man sich eine typische norddeutsche Frau in einem Groschenroman und vielleicht nicht nur dort wünscht.

Zur norddeutschen Legende passt auch ihr Durchhaltevermögen. Andere sagen mecklenburgischer Dickschädel dazu. Ich finde das beides treffend ist. Genau mit dieser für den öffentlichen Dienst nicht ganz unvorteilhaften Eigenschaft, ist es ihr gelungen, in der Hierarchie der Beamtenlaufbahn  stetig aufzusteigen. Das Tempo war nicht grade atemberaubend, aber was ist in Schwerin schon atemberaubend?

Nun, da ihr Chef schon in nur ein paar Wochen in den verdienten Ruhestand gehen wird, sucht die gesamte Dienststelle nach einem würdigen Nachfolger. Auf die bundesweite Ausschreibung gab es zwar die eine oder andere Bewerbung, aber die eine Offerte stellte sich als ungeeignet heraus und die andere, eine rheinische Frohnatur, hat nach der Schnupper-Probewoche seine Bewerbung zurückgezogen. „Es passte einfach nicht!“ ist seit dem der Treppenwitz innerhalb der Behörde. Wer weiß wozu das gut war?

Zur Zeit wird intern eine Eigengewächslösung angestrebt. Gemeint ist, dass der Bettenwechsel, Entschuldigung, das Stühlerücken nicht ohne Brigitte stattfinden soll. Keine andere als sie, soll Herrn Fromm nun beerben.

Genug Erfahrung hat sie allemal und so aufregend ist das kriminelle Spektrum in Schwerin auch nicht, als das sie die gewachsene Struktur der Staatsmacht nicht auf Fahrraddiebe, Handtaschenraub oder Gelegenheitsprostitution loslassen können würde. Viel mehr wächst in Brigitte die Angst, dass sie in erster Linie nur noch Verwaltertätigkeiten zu erledigen haben wird und bestenfalls nur noch lenkend und kontrollierend in Ermittlungen eingreifen kann. Ihr ist natürlich auch das Licht aufgegangen, dass wenn sie, die überproportional an der Lösung der dem Kommissariat auferlegten Aufgaben beitrug, wegdeligiert wurde, jemand anderes die Lücke schließen muss, die sie reißt.

Seid einer Woche grübelt sie nun, was nun das Beste wäre. Nüchtern betrachtet, ist der Bürowechsel gar nicht zu umgehen. Mehr Urlaub, mehr Geld jetzt und in der Pension, mehr Befugnisse. Keine nervtötenden Kleinkriege mit Menschen, die grenzdebil andere Menschen stalken, Delikte wie Ladendiebstähle, Handgreiflichkeiten in familiären Situationen, Jugendliche vor sich selbst zu schützen oder mit Vernachlässigung von Schutzbefohlenen, mit all dem hätte sie nur noch per Aktenlage zu tun. Eigentlich Beneidenswert.

Dafür muss sie sich dann mit Budgetplanung, Mitarbeiterführung, Urlaubsansprüchen, genderneutralen Arbeitsanweisungen, Arbeitschutzunterweisunugen , Öffentlichkeitsarbeit und dem ganzen Klimbim beschäftigen. Pest oder Cholera?



Pest

Mit blumigen Worten und hunderten von Andeutungen, ob der gemeinsam durchlittenen Dienstzeit, wird nun Brigitte am letzten Januartag des Jahres von Herrn Fromm auf den noch lauwarmen Stuhl des Ermittlungsleiters der örtlichen Polizei der nordöstlichen Landeshauptstadt berufen. Die Beförderung von Haupt…., zu Ober…., ist auf den Weg gebracht und muss nur noch die lahmen Mühlen der Bürokratie durchkriechen. Ein kleiner Umtrunk und schon wird Fromm von seiner Frau im nagelneuen Wohnmobil hupend auf dem Parkplatz in Empfang genommen. Brigitte am Fenster des neuen Büros weiß nicht ob sie heulen oder feiern soll.

Als erste Amtshandlung schließt sie die Tür zum Großraumbüro und loggt sich in das System für Bewerber im öffentlichen Dienst ein. Nach ihrer Recherche gibt es genau zwei Bewerber für ihre offene Stelle. Lustiger Weise tragen sie den selben Name und haben am selben Tag Geburtstag.

Die Jägerin  tief in Brigitte wittert Unruhe, willkommene Unruhe. Sie schaut sich beide Bewerber genauer an. Beide vortreffliche Noten in der Ausbildung, einer in Rostock der andere in Lübeck. Da Brigitte nicht an Zufälle glaubt ist für sie klar, das hier etwas stinkt. Was wird sie rausbekommen, aber so oder so Thomas Müller wird auf den Zahn gefühlt.

In den ersten Tagen ist sie mit dem üblichen Kleinkram und aktuellen Fällen so gefordert, dass sie erst  in der zweiten Woche sich den Thomanten papiertechnisch nähern kann. So oder so muss das geklärt werden, persönlich. Sie stellt ein Team für Rostock und für Lübeck auf , einen gleich lautenden Fragenkatalog und Anlaufstellen von Meldeamt bis Polizeischule, Vermieter, Sportvereine,…auf! Schneider und Civik fahren nach Rostock und irgendwas verrät Brigitte, selbst nach Lübeck fahren zu müssen. Am 14. des Monats schwärmen die Ermittler aus, um Licht ins dunkle zu bringen. All das ist natürlich nur möglich, weil es in Schwerin den örtlichen Kleinkriminellen für Blödsinn viel zu winterlich ist und alle anstehenden Büroarbeiten erledigt sind.

In Rostock treffen Schneider und Civik Thomas Müller an seiner Meldeadresse an. Sie werden in die Wohnung gelassen und die Ermittler haben alle Möglichkeiten, den Bewerber Thomas Müller auf Herz und Nieren zu testen und den Fragenkatalog zu allseitiger  Zufriedenheit erschöpfend abzuarbeiten. Nach vier anstrengenden Stunden in der Wohnung, überprüfen sie seine Angaben im Stadtgebiet. Vorheriger Wohnsitz, Bankverbindung inkl. persönlicher Berater, Fitnessstudio, angrenzender Supermarkt, die beiden meinen es ernst und wurden auch von der brandneuen Chefin genau gebrieft. Um Fehler zu vermeiden gingen sie auch aufs Postamt und forschten nach irgendwelchen Auffälligkeiten. Ergebnis: HU oder wie man früher gesagt hatte:tüv ohne Mängel!  Um halb sieben waren sie zurück in Schwerin und sogar schon fertig mit dem Bericht schreiben, enorm was mobiles Arbeiten heute ermöglicht!



Jagd

Brigitte setze sich auf dem Beifahrersitz ihres On-Off Peters, in dessen Kofferraum die gesamt mobile Arbeitsausstattung der KTU Mekpoms mitgeführt wurde. Mann weiß ja nie, welche versteckten Geheimnisse es zu entschlüsseln gibt. Die professionelle Einstellung von Peter, ringt Brigitte immer schon ihren Respekt ab. Auf dem kurzen Ritt durch das Februargrau vertiefte sich Brigitte nochmals in ihre Unterlagen. Das schwarz weiß der Buchstaben in dem die „Heldentaten“ von Thomas Müller aus Lübeck aufgelistet waren, lasen sich wie ein Rennrad mit Plattfuß, wie die Recknitz bei Niedrigwasser, wie eine erstickende Flamme 🔥. Die Nasenflügel Brigittes stellten sich mehrfach in jedem Absatz quer, so als wolle sie mit ihren Nüstern aus den Informationen, die Lügen rauswittern. Kurz vor der Hansestadt, klappte sie die Lade auf ihrem Schoß zu und lüftete mit Tempo 120 das Auto ordentlich durch.

Erster Anlaufpunkt war die Meldeadresse, ein anonymer Wohnblock am Rande der Stadt, welcher nach ALG2 und Problemkiez aussah. An der Briefkastenanlage,  die in manchen Orten in Größe schon so manches Einfamilienhaus getoppt hätte,  klebte an an einem Duzend Türchen das Schild „Müller“.  An einem ein „T“ und an einem ein „Th“ davor. Das ist er,  4. Etage, Wohnung 13. der Aufzug war defekt und so trabte Brigitte die vier Treppen hinauf, als würde sie den Frankfurter Messeturmlauf gewinnen wollen. Als der schnaufende Peter Minuten später die Wohnung 13 erreichte stand Brigitte schon genervt und in Habachtstellung vor der Tür. „Er öffnet nicht“ flüstert sie ihm zu. Nach endlosen fünf Minuten, drehte sie ihre Fußspitzen in Richtung Treppe und bewegte sich fast so schnell wie ein Feuerwehrmann an der Rutschstange, nach unten. Peter folgte ihr deutlich lethargischer. In der schützenden Blechkiste führte Peter an , dass Müller eventuell nicht da wäre. Brigitte verneinte mit der Todschlagsbegründung des Bauchgefühls. Dann jetzt eben anders. Akribisch wurden jetzt alle Punkte auf der Liste abgearbeitet, um möglichst viele Informationen über Müller zu erkunden. Hausverwaltung, alte Arbeitgeber, sogar der Zahnarzt wurde bemüht, um die Identität des Bewerbers zu klären. Kurz vor 18.00 Uhr waren die Schweriner noch bei der Sparkasse, bei der Müller angeblich sein Konto seit 25 Jahren hat. Dabei kostete es Brigitte Hartling und ihrem Peterschatten gehörige Mühe, ihre Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass sie sich nicht in den Schützengraben der Datensicherung, Patientenschutz oder Bankgeheimnisse verkrochen.  Manchmal konnte auch der Peter am Rande der Legalität oder Wahrheit sehr überzeugend sein, staunte Brigitte im Laufe des Tages mehrfach. Nach einem sehr erfüllenden Gespräch mit dem mittlerweile Überstunden machenden Bankmitarbeiter Heiko B. aus L., verließ das Polizeiteam, die Filiale des städtischen Geldinstitutes. „So , halb acht, ich such uns jetzt ein Zimmer, wir bleiben hier!“ entschied Brigitte und tauchte in Richtung Altstadthotel ab. Verdattert schaute Peter auf die attraktive Rückansicht seiner Chefin.

Zwanzig Minuten musste Peter im Auto warten, bis die erlösende Nachricht kam „ komm ins Parkhaus in der Hansestr.5 , Hotel zur Post, Hochzeitssuite, was anderes gab es nicht mehr.“ Es ist Marzipanmesse und die Stadt ist proppenvoll voll mit Handelsvertretern wie in den besten Zeiten der Hanse und könnte Hundehütten als Unterkünfte vermieten.


Feierabend

Als Peter die Suite im Dachgeschoss des 267 Jahre alten Gebäudes erreicht, räumt Brigitte grade die wirklich kitschige und übertriebene Dekoration in einen großen blauen Müllsack. „Tut mir leid Peter, das war das einzige Zimmer was noch zu haben war . Offensichtlich heiraten Handelsvertreter nicht spontan und für ein Quicky eines überraschend entwickelten Messeschattens ist das hier sicherlich zu teuer.“ Peter schaut sich mit Runzelstirn  im Gemach um. Ein übertriebenes Badezimmer mit Monsterdusche von 2 x 2 Metern  in der auch Elefanten abgekärchert werden können, schließt sich an das funzelig beleuchtete runde Kingsizebett an. Für seinen Geschmack ist alles mit viel zu viel Plüsch bezogen und dann noch in rosarot. Egal, er ist hier mit Brigitte und das noch ohne geheiratet zu haben, wer konnte das erhoffen? Grade als er mit Brigitte über den geschäftigen Arbeitstag reden möchte klopft es an der Tür. „Zimmerservice“ schallt es durch den Raum. Brigitte bittet Peter den Empfang zu quittieren, weil sie schon im Badezimmer verschwunden ist und tatsächlich die pompöse Regendusche, vor Freude jauchzend, in Funktion setzt. Als der Kellner wieder weg war, genehmigt sich Peter einen Blick durch den Türspalt in das Badezimmer. Da Peter Brigitte kennt, weiß er, das dieser kein Zufall oder gar eine ungewollte Nachlässigkeit Brigittes ist. Nebelschwaden mäandern durch den Raum und geben nur verschwommen, schemenhaft den Blick auf das selbstpräsentierende Objekt frei. Alles wie in einem mittelmäßigen Hollywoodfilm inszeniert, denkt sich Peter. Und schon ist Brigitte in ein oversize-Frottee gewickelt wieder dem „Bade“ entstiegen. Jetzt genießen  die zwei Beamten erst mal ihr Nachtmahl. Vielleicht etwas zu nachlässig, zupft Brigitte die durch vorbeugende Bewegungen verrutschende Bademantelhülle zurecht. Peter goutiert die sich ihm bietenden Einblicke mit generöser Nonchalance.

Da man mit vollem Mund nicht spricht, kommt es nicht mehr zum Gespräch über die neuen Erkenntnisse des Tages. Erst stört das vielfältig kulinarische Angebot, dann das verlockende körperliche Angebot. Nach mehreren abwechslungsreichen und erschöpfenden Stunden, wird wie von Geisterhand Punkt zwölf das Licht gelöscht und leichte gleichmäßige sonore Geräusche schallen aus den selig schlummernden eng umschlungenen Körperteilen.


Final

Am Frühstückstisch in der Lobby des Hotels trinken die Gäste der Hochzeitssuite ihren Kaffee und sind gedanklich schon bei der Arbeit. Im Gespräch mit Heiko B. aus L.  haben sie keine auffälligen Geldtransaktionen erkunden können. Vielmehr und fast zufällig haben sie aber von der teilweise dramatischen gleichgeschlechtlichen Paarbeziehimg von Thomas Müller und Heiko B. aus L. erfahren. In den Bewerbungsunterlagen wird die Legende eines treu sorgenden Familienvaters mit zwei halbwüchsigen Kindern erwähnt. Zusammen mit allen anderen nicht stimmigen Fakten aus der Bewerbung, zieht Brigitte nun den Schluss einer Straftat. Identitätsdiebstahl! Ihr ist es mittlerweile vollkommen Wuppe, ob der Lübecker Thomas Müller ein ausländischer Schläferagent ist oder schlichtweg ein karrieregeiler Hochstapler. Was sie wissen wollte, welchen Thomas Müller einzustellen ist, weiß sie jetzt, der Rest ist Sache des Landeskriminalamtes. Per Enterklick hat sie nun alle Informationen dorthin weitergeleitet.

Beim Blick in ihren Kalender umschleicht ein leises Lächeln ihren Mund . „Gestern war nicht Halloween sondern Valentinstag!“ Peter hätte sich beinahe noch am schwarzen Kaffee verschluckt. Er stellt die Tasse auf die Untertasse zurück, schiebt sich die vierte kleine Tafel Niederegger Marzipan des Tages in den Rachen und guckt nun Brigitte an, wie er es eigentlich nicht kann. „Romantisch, nicht war?“ und im nächsten Moment, ertönt schallendes Gelächter im Hotel.

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