Brigitte und ihr zuckersüßer Erdbeermund
- Georg

- 16. Sept. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Sept. 2022
Samstag im August, die Sonne scheint grell noch tief stehend von Osten auf den Balkon. Leicht verknautscht rührt Brigitte in ihrem Frühstückskaffee.
„Das Notfalltelefon der Dienststelle schweigt still und so könnten wir mal etwas in der Gegend unternehmen. Was machen wir heute?“, fragt sie den versonnenen Peter, der ihr gegenüber mit zusammen gekniffenen Augen sitzt. „Heute ist Nordderby!“ Kontert er diese willkommene Steilvorlage mit viel Betonung. „Was?“fragt Brigitte. „Mach bitte nicht wieder deine berühmte Schmollschnute!“ „Das, mein liebster Peter, ist mein zuckersüßer Erdbeermund“, sagt sie und steckt sich eine pflaumengroße knallrote Sommerfrucht zwischen ihre ebenfalls knallroten Lippen. „Hansa vs. Pauli!“ „Aha, das bedeutet was für uns?“ „Naja“ , fängt Peter an und Brigitte weiß schon in welche Richtung das jetzt geht. „Ich dachte wir führen nach Rostock und machen uns einen bunten Nachmittag!“ „Mit bunt meinst du wohl die Trikots der Spieler?“ „Nicht nur, wir können vorher noch in Rövershagen unseren Jahresvorrat an Erbeerkonfitüre erwerben!
Zu Karls ?, das bietet für Brigitte schon. Zumal auch die eine oder andere Leckerei oder sogar saisonaler Tinnef , denen manche Frauen fast nicht wiedersehen können, zu erwerben sein dürfte. „Yepp, wenn sich hier in Schwerin nichts aktuelles ereignet, fahren wir in einer Stunde los!“
Gesagt getan, im zähen Brei der Touristen die aufgrund des Bettenwechsels den Asphalt des Ostseeregion Übergebühr bevölkern, krauchen sie in der komfortablen Blechkarosse an Rostock vorbei in Richtung Erdbeerhof. Vorpommerns größtes Besuchermagnet, abgesehen vom ohnehin schier endlosen Sandstrand natürlich! Immer wenn Brigitte auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, darf Peter den Radiosender festlegen. Meistens kann er schwer seine Jugend vergessen und stellt 80s80s ein. Ein Sender der rund um die Uhr Musik spielt die aus den…….., ja tatsächlich Achtzigerjahren stammt , wer konnte damit rechnen? Im zähen Fluss der Karawane fahrerisch unterfordert, trommelt Peter jetzt auf dem Lenkrad den Takt mit. Brigitte ist erstaunt und entsetzt. Erstaunt weil er es wirklich gut macht, jeden Takt und jeden Rhythmus trifft, entsetzt weil er es bei „Smalltown Boy“ von Bronski Beat besonders gut macht und noch dazu mitsingt. So wie er hinter meiner Haut her ist, ist er kein bisschen schwul. Wenn das umgekehrt proportional wahr ist, könnte ich ja auch „Like a Virgin“ laut mitsingen, denkt sich Brigitte und schmunzelt in sich rein.
Als der Wagen in der Kolonne auf den mehre Fußballfelder großen Parkplatz aufbiegt, blinkt es aus allen Ecken und Enden! „Das also meintest du mit bunten Nachmittag“ sprach Brigitte tonlos gegen die Frontscheibe. Die zwei Schweriner Polizisten rollen schon mit den Augen als im selben Moment ihr Telefon klingelte, ihr Notfalltelefon. Die Schweriner Leitstelle fragt rumeierich und ungewöhnlich umständlich nach der momentanen Situation von Brigitte. „He, habt ihr was geraucht?“ fragt Brigitte den Diensthabenden. „Nee nee, wir haben nur grade eine Bitte um Verstärkung von den Rostocker Kollegen erhalten. Die haben Land unter, wegen des Nordderbies und nun ist bei Karls Erdbeerhof noch irgendwas passiert und…..“ „kannst aufhören, wir sind schon auf dem Weg, wir melden uns, wenn wir uns vor Ort einen Überblick verschafft haben!“ Das Danke aus der Leitstelle kann Brigitte nicht mehr hören, da sie den roten Ausknopf schon gedrückt hatte. „Du musstest den Kollegen nicht erklären, wer -wir- sind und mehr Erklärung, dass wir schon vor Ort sind, ist auch nicht nötig ?“ fragt Peter. „Nö!“ Brigitte hat schon voll auf Profimodus gestellt. Peter hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fast so wie jeder Arzt, natürlich immer seine Grundausstattung seiner umfänglichen Ausrüstung in einem Koffer im Auto dabei. Der nicht mehr ganz neue Toyota Corolla steht noch nicht ganz, da geht Brigitte nicht, sie schreitet auf das Rundumleuchtengewitter aus Rettungswagen und Funkstreifenwagen zu. Ihre linke Hand hält für alle sichtbar ihren Dienstausweis in die Höhe. Durch ihre Beherztheit und Zielstrebigkeit teilt sie die Menschenmenge vor ihr, wie ein Eisbrecher das zugefrorene Meer. Die Menschen spritzen nach links oder rechts, Hauptsache aus der angestrebten Laufbahn. Charisma hat man eben mitzubringen in ihrem Beruf. Die ersten beiden Absperrungen überläuft sie so wie es die Leichtathleten beim Hürdenlauf tun, gazellenartig! Schon steht ein deutlich älterer Uniformträger im Weg und stoppt energisch ihren Vorwärtsdrang!
„MüllerAbschnittRostockMitte“ stößt er ohne Punkt und Komma in leichtem Dialekt aus dem aufgeplusterten Laib hervor. Als er gelesen hat was die energische Frau in der Hand hält, sagt er „Ich weiß, ihr sollt hier übernehmen!“ „Naja, erstmal muss ich rausbekommen was hier läuft, dann sehen wir weiter!“
Wo geht’s denn hier zum Ort , ja was immer auch geschehen ist? Ein stummer Finger, zeigte den beiden den Weg, und Peter, der inzwischen aufgeschlossen hat, kam bekoffert auch schon zum Tatort. Wenn man das so nennen sollte? Denn was sich offenbarte war ein sichtlich demolierter Kleinwagen, einige kopflose Menschen und jede Menge tatütata! Ein sichtlich mitgenommener mittelaltergepflegter Mann war froh , dass er seine Geschichte nun endlich loswerden konnte.



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