Brigitte und die tierischen Instinkte
- Georg

- 25. Jan. 2021
- 3 Min. Lesezeit
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Peter fühlt sich, da er sich seines zunehmenden Kontrollverlustes bewusst ist, sichtlich unwohl. Er weiß nicht mehr so genau, in welcher Funktion er hier mit der Kollegin durch das schwach beleuchtete Gelände der afrikanischen Savanne streift. In einer afrikanisch anmutenden Hütte mit Schaubildern und Infomaterial angekommen, fragt er sich und offenbar sogar halblaut, ob sie hier nun übernachten müssen?
Im gleichen Moment, es ist mittlerweile halb zehn, holt Brigitte einen Schlüssel wie aus dem Nichts raus und wedelt ihn wie angestochen in der Luft herum.
Mit einem Satz ist sie auf Tuchfühlung zu Peter und sagt, dass dies der Schlüssel zum Baumhaus des Zoos ist. Dieses kann man theoretisch mieten, um im Zoo zu übernachten. Aus unverständlichen Gründen ist es für die nächsten Tage nicht belegt. Der Schneider ohne Doktor hätte ihr diese Möglichkeit einer, nennen wir es räumliche Ermittlungsbasis, aufgedrängt, entweder weil er selbst eine unverschämte Hoffnung hegte oder um das Entgegenkommen des Zoos zu manifestieren. Egal, keiner von uns muss jetzt nach Hause!“ Und Brigitte, die mit diesem Satz zu Peter, wirklich auch über ihren eigenen Schatten gesprungen ist, also mit beiden Händen ihr Herz genommen hat, ist sehr froh, dass ihr Gesicht zwar brennt, aber es zu dunkel ist, die Hautfarbe zu identifizieren.
Nun antwortet Peter gar nicht mehr mit Worten. Er legt sein Kopf schräg und drückt ihren Kopf an seine zum Kussmund geformten Lippen. Brigitte, die etwa genauso groß wie er selbst ist, steht aber so ungünstig, dass sie ins wanken kommt und den auch von ihr ersehntem Augenblick, viel zu schnell beenden muss, um nicht gänzlich aus der Rolle der Führenden zu fallen.
Da Brigitte scheinbar den Weg zu kennen glaubt, schreitet sie nun bei der Suche nach dem Baumhaus voran.
Nachdem sie an den Pinguinen, dem Löwenhaus und den Wildvögeln (schöner Hinweis, denkt sich Brigitte) vorbei gekommen sind, besteigen sie jetzt den Pfad zum Baumhaus.
Niedlich, detailverliebt und einfach nur perfekt für Kurzzeitübernachtungen eingerichtet, bietet die Einrichtung alles, was ein kleines Ferienhaus bieten sollte.
Für Brigitte und Peter hätte ein einzelnes, großes, bequemes Bett gereicht. Mehr sehen sie von der Unterkunft heute nicht mehr. Sie haben nur noch Augen für den jeweils anderen. Mit fast wissenschaftlicher Begierde, wird jeder Quadratzentimeter des andern unter die Lupe genommen, Geschmackstests durchgeführt und Flüssigkeitsproben entnommen, bis am Horizont der Morgen erkennbar war.
Um 7.00 Uhr klingelt der Wecker in Brigittes Telefon. Peter steht schon in Blöße in der Küche und versucht einen anständigen Kaffee zu zaubern. „Wenn es so schmeckt, wie es riecht, bin ich gleich hellwach und wenn es so schmeckt, wie du aussiehst, möchte ich wieder mit dir eine Nacht verbringen!“
„Kontenance, meine liebe Kollegin, sonst lasse ich dir keine Wahl mehr!“
Mit zwei dampfenden Tassen kommt Peter zurück unter die Decke gekrabbelt.
Eng umschlungen schlürfen sie den vergessenen Instandkaffee des Vormieters im ersten Licht des Tages.
Leise, fast unhörbar, murmelt Brigitte jetzt ein „Happy Birthday to me“ in sich rein! Aus dem Fenster sehen sie in die eine Richtung zu den Greifvogelvollarien und in die Andere zum friedlichen Ententeich. Irgendwie unheimlich besonders, aber nicht die schlechteste Version eines Runden Geburtstages.

Punkt 8.00 finden sich alle Verabredeten am Haupteingang des Zoos ein. Scheinbar wundert sich niemand, dass Peter und Brigitte zwar offensichtlich aus unterschiedlichen Richtungen, aber wohl von der Zooseite, der anderen Zaunseite aus, zum Treffpunkt schlenderten. Auch das sie offenbar die selben Klamotten wie am Vortag trugen, schien keinen zu stören. Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen für aufmerksame Polizisten? Das Team Technik jedenfalls, hatte eine mobile OP-Einheit dabei und wollte sich an die Entfernung der Projekttieles machen, welches bei Kimba am Vortag festgestellt wurde.
Was Fred Muller hier sollte, war ihm nicht ganz klar.
Brigitte nahm ihn einfach ohne Umschweife mit zu den diensthabenden Pfleger.
In einer kurzen Arbeitspause des Pflegers, befragten sie ihn nach dem Verhältnis zum Toten und nach irgendwelchen Besonderheiten. Als der Herr Schneider, ohne Doktor, am Gatter vorbeilief, bekam Brigitte einen verschwörerischen Blick zugeworfen, welcher von ihr geflissentlich ignoriert wurde.
Aus dem Pfleger war nicht raus zu bekommen, was im Zuge der Ermittlungen von Belang hätte sein können. Der Zweite Pfleger hatte Spätschicht und würde so gegen halb zwei hier aufschlagen. Genug Zeit für Brigitte, Fred für Fleißarbeit einzuteilen und für sie selbst am Denkplatz hinter ihrem Lenkrad platz zu nehmen. Das Fahrstuhlfahren des Geistes und des Gemütes, muss sofort aufhören, wieder in klare Strukturen gesetzt werden. Sonst explodiere ich noch. Ein kurzer Abstecher zur Dusche kann auch nicht schaden, dachte sie und drehte den Zündschlüssel eine halbe Drehung nach rechts.
Auf der mechanischen Fahrt zu ihrer Wohnung, hatte ihr Geist schon wieder ein Heimspiel. Vertraute Straßenkreuzungen, vertraute Hirnwindungen.




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