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Brigitte steigt auf

  • Autorenbild: Georg
    Georg
  • 14. März 2023
  • 5 Min. Lesezeit

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Schwerin , Mitte März. 2 Grad über null und eine noch fast geschlossene Schneedecke der letzten Nacht. Die Natur lässt sich Bitten.

Brigitte Hartling hat es heute außergewöhnlich schwer mit dem Aufstehen. Noch ist es dunkel, der Niederschlag der letzten Stunden ist vom Schneematsch in klebrigen Regen übergegangen, welcher sirupartig die Fensterscheiben entlanggleitet. “Was ist das für ein Dasein?“ fragt sie sich halblaut ohne eine sinnvolle Antwort zu erhoffen, als sie ins Bad wackelt. Hormone, Enzyme, Bakterien,… irgendwas muss verantwortlich sein, für das Leben mit tonnenschwerer Bleiweste auf den Schultern. Die triste Zeit des Spätwinters dauert schon gefühlt zwei Monate. Noch Einen und sie schmeißt sich hinter die Straßenbahn, auch wenn das nur bedingt Sinn macht. Die einzig gute Nachricht des Morgens ist, dass der Abreißkalender mit den „klugen Sprüchen“ verraten hat, dass heute Freitag ist.

Nach einer Tasse Kaffee im stehen, wickelt sie sich ein, als würde sie sich auf den Weg zum Nordpol machen, zieht die 25cm langen Reißverschlüsse der Winterstiefel zu und tappet durch die jahreszeitlichen Überreste auf den Gehsteigen in Richtung Büro. Der Marsch in den Tag, denn es graut der Morgen! Wem oder was graut es? Weder grammatikalisch noch philosophisch kommt sie zur Entscheidung bevor sie von der Bugwelle des vorrasenden Lebensmittellieferanten erfasst wird. Jetzt freut Sie sich, über ihre Expeditionsausrüstung. Wenn auch Wasser per se Lebensmittel ist, gehört nicht die Kleidung durchweicht. Tropfend kommt sie im Büro an und hängt die Pelerine an den Haken neben der Tür. Im Büro herrscht geordnete Ruhe. Scheinbar macht der verbrecherische Pöbel bei Dreckswetter auch Pause, zumindest im bürgerlichem Schwerin.

Just als sie sich auf ihren Bürostuhl setzte, ihre Haartracht gebändigt und zum berühmtesten Schwanz der Schweriner Polizei gebunden hatte, ertönte das Signal zum Aufbruch. Ihr Chef schleift sie mit zum Dom! Neben dem Schloss, dem Wahrzeichen der Landeshauptstadt.

Auf dem Fahrersitz Platz genommen, wurde Brigitte mit allen bisher vorliegenden Informationen gefüttert. Gottseidank waren es nicht so viele, denn sonnst hätte die viereinhalbminuten Fahrzeit zum „Domberg“ nicht ausgereicht.

Der Küster hatte heute morgen beim Versuch das Gotteshaus aufzuschießen festgestellt, dass es unverschlossen war. Sofortige Kontrollen aller Sicherheitsvorkehrungen ließen zwar auf einen unbefugten Zutritt, aber auf keinen Diebstahl der zum Teil sehr wertvollen Domausstattung schließen. Nach mehreren Rundgängen im Dom und Kreuzgang, stiefelte der Küster mit Schwung den Turm hinauf. Kurz vor dem Austritt auf die Balustrade hörte er Stimmen. Nicht die des Gottes, wie sich Brigitte versichern ließ, nein , ihm unbekannte männliche Stimmen. Nun legte Brigitte ihre Stirn in Falten und schob ihre Schlussfolgerung bezüglich Gottesstimme weg. „Der Küster reagierte eher vorsichtig und verschloss die Tür zur Balustrade von innen und rief uns an“, sagt Herr Fromm beim aussteigen aus Brigittes Auto.

Brigitte atmete entspannt aus, „also gewöhnlicher Unfug, statt gewieftes Verbrechen.“ Darauf gab Herr Fromm nur „schau’n wir mal“ zum Besten.

An der Tür empfing sie schon der aufgeregte Hüter des Domschlüssels. Routiniert schob Fromm den zitternden Kerl beiseite und bahnte sich den Weg in Richtung Turmaufgang. Nun gehört eine Besteigung des höchsten Kirchturms Ostdeutschlands ,ein Superlativ muss Schwerin ja auch haben ( und wenn es auch das Einzige ist), zum Pflichtspiel eines jeden Schwerinbesuchers, aber für Brigitte ist das dann doch Neuland! Gelesen und gehört hat sie schon viel über den lohnenswerten Aufstieg, aber heute ist dann doch Premiere! Schon nach den ersten dreißig Stufen die das polizeiliche Double im lockeren Trab zu erklimmen versuchte, keuchte Herr Fromm beachtlich. In dem Maße in dem sich die Gesichtsfarbe in ein dunkles rot verwandelte, verlangsamte er seine Bewegungen. Brigitte zwängte sich an ihm vorbei und trabte locker die gesamten 220 Stufen zur Besucherplattform hinauf. Hinter der geschlossenen Tür wartete sie geduldig auf ihren dem Tode nahem Chef. Nachdem auch er oben angekommen und wieder lebensfähig war öffneten die beiden mit gezogenen Waffen die Tür. Vorsichtig starteten sie die Kontaktaufnahme. Mit klaren, deutlichen und vor allem lauten Signalen gaben sie sich als Vertreter von Recht und Gesetz zu erkennen. Als Fromm dicht gefolgt von Brigitte sich nun auf die Balustrade traute, bot sich ein erbärmliches Bild. Aus einem riesigen Gelb-Blauen vom Winde gebläht und zerzaustem Knäuel aus ballonseideartigem Stoff schauten zwei übernächtigte unrasierte Männerköpfe. So wie die zitterten, waren sie , abgesehen für sich selbst, keine Gefahr für irgendjemand. Die zwei Beamten steckten die Waffen weg und traten an die beiden Männer heran. Fromm erkannte einen der Beiden, als einen Einheimischen der ab und an den gleichen Supermarkt zur gleichen Zeit wie er frequentiert und stuft ihn als harmlos ein. Sogleich fängt er mit der Befragung an. Was macht ihr hier, wer seid ihr, wie seid ihr hier rauf gekommen? Brigitte ist geschockt, als sie erkennt, wie weit ihr Chef von der eigentlichen Arbeit weg ist. Die jahrelange Bürokratie als Leiter von 20 Menschen, hinterlässt eben auch Spuren. Brigitte sagt, „wir sollten dann mal runter von hier , sonst zittern wir bald alle so wie die zwei!“ „das geht nicht, ich bin heute Nacht hier im eisglatten Dunkel ausgerutscht und blöde gefallen und kann keinen Schritt mehr machen. Sonst wären wir doch gar nicht mehr hier!“ „na das wird ja lustig“ sagte Fromm und ruft die Sanitäter auf den Turm. Brigitte schnappt sich den anderen Kerl vielleicht ein bisschen gröber als unbedingt nötig, schafft sich aber so den nötigen Respekt. Zum Chef sagt sie nur „wir sehn uns unten“ und schon schiebt sie das zitternde Jüngelchen in das Treppenhaus des Turms. Mit vor Kälte schlotternden Knien und ansonsten steifen Gliedern kann er ihr gar nicht enteilen. Unten bekommt er erst mal eine Tee von den Sanitätern. Zwei von denen haben sich ungefähr bei Stufe siebzig an Ihnen vorbei nach oben gedrängelt. In leuchtende Rettungsdecke gewickelt und mit weiblichen Vibes befragt, fängt er an gesprächig zu werden! „Nunja, so richtisch verbrochen ham wa nüscht!“ Brigitte fängt an, sich innerlich zu langweilen! „Wir ham doch nur eine Fahne hissen wolle!“ Jetzt dämmert es Brigitte, die Farben des flatternden Irgendwas. “Ja und das musste nachts sein?“wollte Brigitte wissen. „Offiziell durften wir das nisch! Der Bernd hat ja den Küster jefragt und der hat nee jesacht“

Wieso, fragt sich Brigitte im stillen, sind die Gläubigen nicht alle Friedensbewegt?

„Der Pfarrer hat was jegen meinen Bernd , weil er offen mit mir glücklich ist, des ham die Pfaffen nett so jerne!“ Aha , daher weht der Wind, denkt sich Brigitte. Gott liebt alle Menschen gleich, wenn sie dem Ideal der Kirche entsprechen. Und dann noch Politik in den Glauben reintragen, da ist dann wirklich Schluss! Nächstenliebe als Grundsatz, aber wenn es heißt Flagge zu zeigen, bleibt man lieber wage. Brigitte könnte das im Grunde Wurst sein, wenn es nicht um Menschen ginge.

„Nun wird der Bernd erstmal medizinisch versorgt und dann schau ich mal ob der Domherr überhaupt eine Anzeige machen möchte. Wahrscheinlich kommt ihr mit einem blauen Auge beziehungsweise mit einem gebrochenen Bein davon.“ sagt Brigitte als sie alle Personalien aufgenommen und den Kerl zum Wagen mit Bernd gebracht hatte, der nun auf dem Weg zum Krankenhaus ist. Die Fahne und das ganze Zubehör landet bei Brigitte im Kofferraum! Für Fromm und Brigitte ist der Tag eigentlich schon zur Hälfte rum. „12.30 Uhr Zeit fürs Mittagessen im Café Prag!“ sagt Fromm zu Brigitte. „Warum eigentlich nicht?“ antwortet sie! Das Büro lockt nur mäßig mit dem nächsten Allerweltsfall! Und die haben jede Menge Geduld!

 
 
 

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