Brigitte macht Urlaub
- Georg

- 22. Feb. 2021
- 3 Min. Lesezeit
5. Kreise ziehen

Brigitte steht sich selbst auf der Bremse, bis das Karussell steht. In ihrer Vorstellung sitzt sie hinter dem Lenkrad ihres Wagens und kommt langsam zu sich. Denken geht in der geschützten Atmosphäre ihres Toyotas eben immer noch am Besten.
Die Hände fest um die Lehne des Stuhls vor ihr geklammert, imitiert sie das Lenkrad. „Wollte die Charmeoffensive der Besatzung für die "allein" reisende Frauen mittleren Alters, mir helfen Peter zu finden? Oder wollte er nur Zeit schinden bis der Pott auf hoher See ist und er damit seine eigenen Gesetze machen kann? Und was hat das mit dem Verschwinden von Peter zu tun. Und was wird hier gespielt?“
Ihr wird abwechselnd kalt und heiß bei dem Gedanken, was mit Peter passiert sein kann.
So geht es nicht weiter, entschlossen steht sie auf, geht zur Schautafel des Deckplans, fotografiert ihn und sucht sich den Weg zur Brücke, zum Verantwortlichen dieser Fuhre.
Ein Mensch ist verschwunden, das kann keinem Kapitän egal sein, hofft Brigitte. Nach mehren vergeblichen Versuchen den Weg zur Kommandobrücke zu finden, steht Brigitte nun ungefähr eine habe Stunde nach ihrem Aufbruch, vor der Schiebetür mit einem Fenster. Durch diese sieht sie Valujev, diverse andere Männer in Uniform und einen auf einem thronähnlichem fettem Ledersessel sitzenden Mann. Das weiße Haar des Kopfes ging ohne Übergang auf Wangen und Kinn über und rahmte seine strahlenden Zähne souverän ein.
Ohne anzuklopfen, verschaffte sich Brigitte Zutritt. Alle Gespräche verstummten und der erste der reagierte war Valujev. „ Kapitän, darf ich vorstellen, Frau Hartling von der Polizei in..eh?“ „Schwerin! Und ich vermisse meinen Kollegen. Er ist auf diesem Schiff, auf nicht geklärte Weise abhanden gekommen!“
„Nun Frau Hartling, Giorgios Paplodios ist mein Name, ich bin der Kapitän und für alles hier verantwortlich. Ich kann Ihnen sagen, niemand verschwindet auf meinem Schiff!“ “Nun, dass will ich gerne glauben, dann sagen sie mir bitte, was mit meinem Kollegen passiert ist, wenn sie alles so genau wissen!“
„Ihr Kollege ist kurz bevor wir Rostock verlassen haben, wieder an Land gegangen! Das ist die einzig mögliche Erklärung für das Abhandenkommen eines Passagiers!“
Ok, denkt sich Brigitte, hier komm ich kein Stück weiter! Wenn ich mich hier aufbaue und Theater mache, werde ich noch irgendwie festgesetzt und das hilft Peter am wenigsten. Hier stimmt überhaupt nix, aber ich muss es anders angehen. Sie schluckt drei mal runter und verlässt kleinlaut die Brücke. Zu sich selbst sagt sie “zurück auf den Denkplatz!“. Auf dem Stuhl vor dem Bordrestaurant Platz genommen, spürt sie den Schatten welchen sie seit der Kommandobrücke hat, in der Ecke stehen.
Erstmal ruft sie in Schwerin an und lässt sich von Muller die Telefonnummern der örtlichen Behörden in Trelleborg geben. Sie unterrichtet Muller von Peters verschwinden. Er soll alles gewöhnliche und ungewöhnliche über das Schiff, die Besatzung und die Rederei rausbekommen. Gott sei Dank hat sich Brigitte vor dem Urlaub die große Handyflat gegönnt, mit unbegrenztem Datenvolumen.
Fred Muller hat auch nichts besseres in Fromms Welt zu tun und durchforstet nun alle erdenklichen Datenbanken auf allen Kontinenten. Die Rederei ist halt international aufgestellt, so wie die Besatzung des Schiffes international zusammengewürfelt. Das bei so viel Verantwortungswirrwar der Pott wirklich nahezu pünktlich aus Rostock abgefahren ist, ist für Fred ein Wunder!
Brigitte nimmt sich in der Zwischenzeit eine von Peter fabrizierte Wegzehrung aus dem Vorrat.
Hunger hat sie keinen, aber Kohlenhydrate werden zu Zucker umgewandelt und führen zu Hirnleistungen, die jetzt dringend von Nöten sind.
Nach zwei Käsebroten und einer Gurke klingelt ihr Telefon. „Fred, was hast du?“
„Nicht so viel, aber der Kapitän fährt schon über dreißig Jahre mit dem gleichen ersten Offizier zusammen. Das ist äußerst ungewöhnlich in diesem Geschäft und diese Route ist ungefähr die letzte Bewährung für das Team, wurde mir durch die Blume mitgeteilt.“ Und hast du etwas aus Rostock gehört?“
„Ja, es wurde ausgeschlossen das kurz vor dem Ablegen auch nur ein einziges Lebewesen vom Schiff gegangen ist! Das verspätete Ablegen, wurde von der Hafenbehörde mit einem Bepumpen eines Vorratsbehälter durch einen Tanklastzuges erklärt, welches weder mit Schiffsdiesel noch mit Restaurant-Vorrat zusammen hing und noch nicht abgeschlossen war!“
„Sehr uminös und Bepumpen, ist eine komische Seemannsprache! Was wurde denn da bepumpt?“ „Brigitte, was hat das mit dem Verschwinden von Peter zu tun? Sollten wir uns nicht darauf konzentrieren, Peter zu finden?“
„Na klar Muller, aber es gibt keine Zufälle und vielleicht hat alles immer mit allem zu tun! Danke, bis später.“
Brigitte umfasste wieder die Lehne des Stuhls vor ihr. Sie verkrampfte, bis ihre Handgelenke weiß wurden und zitterten. Sie musste Peter unbedingt finden und war sich sich sicher, dass die Maritime Welt, alles andere als in Ordnung war!
Mittlerweile hatten sie die Hälfte der Strecke nach Trelleborg zurück gelegt und Brigitte war an dem Versuch das Parkdeck zu betreten, freundlich aber unmissverständlich mit dem Verweis auf Sicherheitsbestimmungen, gehindert worden. An der Tür stehend hätte sie schwören können Geräusche von der anderen Seite hören zu können. Leider wurde sie mit fast körperlichen Argumenten wieder von der Tür zum Platz komplementiert, bevor sie die Geräusche identifizieren und irgendwelchen Tätigkeiten zuordnen konnte.





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