Brigitte macht Urlaub
- Georg

- 21. Feb. 2021
- 3 Min. Lesezeit
4. Verwirrung

Ein paar Etagen tiefer, mitten im Rumpf des fensterlosen Ungetüms, lag das Kontrollzentrum, wie es der ukrainische Erste Offizier nannte. Brigitte hatte es aufgegeben, sich den Weg merken zu wollen. Freundliche kleine englisch sprechende Asiaten, bevölkerten diese Station. Brigitte bekam einen Operator zugeteilt, der auf ihren Wunsch hin alle Kameras ansteuerte, die sie sehen wollte.
Zuerst vom Parkdeck einige Aufnahmen, wie sie mit Peter und Gepäck das Feld räumt. Dann, wie sie zur Toilette abbiegt und Peter die Sessel in Beschlag nimmt. „Erschreckend, wie alles und jeder Schritt dokumentiert ist."
Hier nun Bilder, wie sie von der Toilette zu Peter kommt und er mit steifen Gliedern die Toilette sucht. Vor dieser kommt er aber nicht an. Die Kamera zeigt kein einziges Bild mehr von ihm. „Wo kann er sein? Kann er vorher noch einmal abgebogen sein? Da war nur noch der Zugang vom Parkdeck dazwischen. Kann er dahin gelaufen sein? War die Tür nicht schon geschlossen, vorher? Gibt es auch im Parkdeck Kameras?“ fragt Brigitte.
„Just a moment please!“ sagt der kleine freundliche Operator und tritt an den baumlangen Valujev heran, der fast in die Knie gehen muss, um das Geflüster von dem Operator zu verstehen. Nun nickt Valujev und schaut auf seine Uhr bevor erneut der Bass ertönt. „ Frau Hartling, ihr Kollege ist nicht mehr zu sehen. Das tut mir leid, mehr können wir im Augenblick nicht tun. Wir haben grade das deutsche Hoheitsgebiet verlassen und ich muss Sie bitten, wieder auf die Etagen für die Passagiere zu gehen, meine Mitarbeiter werden Sie begleiten.“ Er grüßte mit der Hand an der Mütze und machte sich aus dem Staub, fast fluchtartig, wie es den Anschein hatte.
Als Brigitte wieder vor dem Bordrestaurant im Sessel saß, fuhr ihr Kopf Kettenkarussell!
Ungefähr zur gleichen Zeit, ungefähr am gleichen Ort.
Nur etwa eine halbe Stunde vorher und höchstens 700 Meter von einander entfernt. Dabei weiß man nicht genau, in welche Richtung man entfernt ist.
Völlig orientierungslos wackelt Peter auf der Suche nach einer Toilette auf den Gängen und Fluren des Schiffes hin und her. Als er die Tür zum Parkdeck sieht, erinnert er sich, am anderen Ende an einer Toilette vorbeigefahren zu sein und schlüpft durch die Tür, die sich hinter ihm selbsttätig schließt.
Er wackelt weiter bis er die erleuchtete Toilette sehen kann. Grade noch rechtzeitig, erreicht er die Keramik und ergießt seine Notdurft ohne weitere Probleme. Nach dem Händewaschen, schmeißt er sich noch eine Hand voll Wasser ins Gesicht und bändigt mit einem Schwall kalten Nasses, eine störrisch abstehende Strähne seines Haupthaares. Maximal erleichtert und erfrischt, öffnet er nun die Tür zum Parkdeck. Was er aber nun sieht, bewegt ihn instinktiv wieder den Rückwärtsgang zur vollkommen leeren Toilette einzuschlagen. Er ist geschockt und versteht nicht was er gesehen hat! In der leeren Toilette atmet er erst einmal durch. Peter ist sich nicht ganz sicher, ob es ihn selbst äffte und so versucht er durch einen Spalt der Tür, sich einen Überblick zu verschaffen.
Bewaffnete Männer in Kampfanzügen patrouillieren über das Parkdeck. Dazwischen wuseln kleine asiatische Männer mit Handkarren durch die Autoreihen! Vorsichtig und geräuschlos zieht Peter die Tür zurück ins Schloss.
Jetzt ist einer dieser Momente in denen der normale moderne Stadtmensch verzweifeln kann!
Das Telefon hat er in den Sachen liegen, welche nun hoffentlich Brigitte bewacht.
„Was nun?“ Verzweiflung, Angst und Rätselraten vermischen sich zu einem verdammt miesen Bauchgefühl. Sein Mund ist trocken und er fängt an leicht zu zittern.
Das „Polizisten John McClane Syndrom“ hat auch ihn erwischt. Zur falschen Zeit, am falschen Ort. Anders als in „Stirb langsam“, ist das hier aber Peters richtiges, echtes Leben und er ist nicht die coole Sau, die sich aus jeder noch so bremslichen Situation wieder raus schießt. Mit welcher Waffe auch, er sitzt auf dem Klo und hat Angst! Was machen die Männer mit den Waffen hier und was machen die anderen Typen zwischen den Autos? Ist das eine Übung, welches Militärs auch immer?
So kann er unmöglich zurück zu Brigitte und eigentlich hat er doch Urlaub, will angeln, den Fang braten und mit Brigitte im Arm den Sonnenuntergang besehen. Zeit für Heldentum ist in seiner Planung noch nie gewesen.
Erstmal still sein und warten bis ich irgendeine Eingebung habe, wie es weitergehen kann. Er schleicht in eine erstaunlich saubere Toilettenbox, hockt sich auf die Kloschüssel und verrammelt die Tür! Als er so eine Weile still hockt, geht das bewegungsgesteuerte Licht aus und er gibt sich der Illusion hin, die Gefahr würde an ihm vorbei gehen. Er möchte am liebsten gar nicht wissen was diese Männer da machen, er möchte nur das es vorbei ist.





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