Brigitte knackt ab und zu

drei von vier

Als Brigitte das Telefon beiseite legt, raunt sie, während sie sich imaginär ihre desolate Schulter klopft, sich selbst zu „war doch gar nicht so schwer!“ und ihr Rücken wird ein kleines Stückchen grader!

Um Punkt zwei ist sie bei der Physiotherapie. Ohne eine konkrete Vorstellung des weiteren Werdegangs, klingelt sie am Tresen. Ein Mann in grüner Pflegerkleidung kommt händereibend um die Ecke und studiert die leicht gekrümmt wartende Frau.  Das Schild am Kragen weißt in als Siegfried aus. Scheinbar ist man hier schnell vertraulich, denkt sich Brigitte. Als Siegfried das Buchungssystem befragt hat, hebt er den Kopf und sagt dann: „Frau Brigitte Hartling , der feste Rücken richtig? Für sie haben wir Astrid vorgesehen, sie können schon ins Zimmer zwei gehen und sich bereit machen.“  Ersteres hat Brigitte verstanden und dass nun eine Frau an ihr rumkneten soll, ist ihr auch willkommen, aber was „bereit machen“ von ihr verlangt, bleibt nebulös. So schiebt sie sich ins  „Zimmer zwei“. Eine etwa telefonzellengroße Box, in der auf wundersame Weise trotzdem eine Liege, ein Stuhl und ein Regal platz finden. Kurz nach dem sie sich Ihrer Jacke entledigt hatte, kommt schon Astrid herein. Zumindest trägt sie ein so ein Schild am Kragen. „Na, sie sind ja noch gar nicht fertig!“ „Na,  weil ich nicht weiß, wie fertig ist!“ antwortet Brigitte. „Na,  freimachen müssen sie sich schon, sonst hat’s keinen Effekt. Nackter Oberkörper und auf den Bauch legen, so geht’s. Ich komme gleich wieder, dann sind sie bitte auch soweit.“ Astrid musste rausgehen, diese Kabine war viel zu klein für zwei Personen. Wie ihr gehießen, machte sich Brigitte nun fertig. Schön zu wissen welche Ziele man erreichen muss, um das System nicht nicht ins stottern zu bringen. Sofort als Brigitte lag, klapperte die Tür und warme Hände lagen kurz darauf auf ihren Schultern.

Um ein Gespräch anzufangen, fragte Astrid ob alles in Ordnung sei oder sie friere. Und als hätte Astrid nicht nur auf dem Fleisch  zwischen den Schulterblättern herumgedrückt, sondern auch auf den Quaselknopf an Brigittes Gehirn, (von dessen Vorhandensein nicht nur Brigitte keine Ahnung hatte) betätigt, faselte sie offenherzig wie nie zu vor über Alles und Nichts, Gott und die Welt, über Ihn und über Ihr. Diese Sitzung verging im Fluge. Brigitte, der ihre ungewöhnliche Schwatzhaftigkeit nun fast ein bisschen peinlich war, war sich sicher, den von Astrid angekündigten Muskelkater nicht nur im Rücken sondern auch an ihrer Zunge zu bekommen.  Bisher waren Brigitte lockere Konventionen ein Graus, Zeitverschwendung ohne Informationsgewinn. Jetzt fühlte sie sich befreiter, leichter, lockerer. Hubs, schon fast vier, jetzt aber hurtig nach Hause, der Peter wartet nicht gerne. Für Brigittes steifen Zustand der letzten Tage, flutschte sie gradezu in ihre Obertrikotagen hinein ohne erneute Schmerzwellen über sich ergehen zu lassen. "Wenn sich das so weiter verbessert, soll es mir sehr recht sein."

Als sie auf dem Parkplatz vor ihrem Haus aussteigen wollte, schossen wieder Schmerzen durch ihren Körper! Zum Glück war der Peter geistesgegenwärtig helfend zur Stelle, fast wie verabredet. Zufälle gibt’s! Zuerst schleppte er Brigitte und dann die Einkäufe in ihre Wohnung. Als er alles ausgepackt und sortiert hatte, Brigitte auf dem Sofa und die Einkäufe im Kühlschrank, verteilte er Medikamente und ein Glas Wasser. Nach einer Weile fragte Brigitte noch , ob er auch ausnahmsweise ihr den Rücken einsalben könnte. „Ohne weitere Probleme, ich kenne ja schon jeden Quadratzentimeter von dir und werde mich nicht ekeln.“ Da war wieder dieser Witz von Peter, bei dem Brigitte unsicher ist, ob sie ihn liebt oder hasst. Im Augenblick empfindet sie aber pure Dankbarkeit! Kurz darauf ist Peter auch schon wieder weg, nicht ohne seine weitere Hilfe für Samstag anzukündigen. Dankend verabschiedete sich Brigitte mit freigelegtem Rücken liegend auf dem Sofa. Nicht ganz schmeichelhaft positioniert, aber der Situation angemessen!