Brigitte knackt ab und zu
- Georg

- 23. Dez. 2022
- 3 Min. Lesezeit
zwei von vier

Langsam bekommt die Haut in Brigittes Gesicht wieder ihre normale Farbe. Sich umständlich aus dem Behandlungsstuhl erhebend, bedankt Sie sich artig und strebt der benachbarten Apotheke entgegen. Die Termine mit der Physiotherapie hatte der Doktor gleich mit ausgedruckt. Morgen um 14.00 Uhr geht’s los! Bloß keine Zeit verlieren.
Die paar Anrufe mit Kollegen und der Krankenversicherung erledigt Brigitte heute noch, bevor sie sich ein Bad mit Lavendel und Latschenkieferextrakt einlässt und die wohltuende Wärme durch ihren malträtierten Körper ziehen lässt. Mit letzter Kraft zieht sie sich Stunden später über den Badewannenrand zurück ins Leben. Wenn man das so nennen kann. In weiches Frottee gewickelt, steht sie auf das Waschbecken gestützt vor dem Spiegel und versucht durch ihre eigenen gespiegelten Augen bis auf den Grund ihre Seele zu schauen. Mehr als mäandernde Nebelschwaden in ihr völlig unbekannten Mittelgebirgslandschaften kann sie aber nicht ausmachen. „Was ist los mit dir? Dauerhaft gefühlte 49 Jahre , 1,75 m und standhaft geglaubte 64 kg mit gut proportionalen Beulen an den schmeichelnden Bereichen, ohne wirklich Sorgen zu empfinden und trotzdem völlig fertig?“
Als ihr ihr Spiegelbild nach einigen Minuten immernoch nicht geantwortet hat, putzt sie sich die Zähne und strauchelt ins Bett. Dort löscht sie das Licht und horcht in sich rein. Außer Verdauungsgeräusche und Blutrauschen ist nichts zu vernehmen. Kein babylonisches Stimmengewirr, welches ihr weise die Ursache der körperlichen Misere und Wege zur Beendigung der körperlichen und scheinbar seelischen offensichtlich verdrängten Notlage ins Gewissen nuschelt. Mit der Gewissheit, morgen sich nicht früh ins Büro quälen zu müssen, fällt sie alsbald tief in den Schlaf.
Am Morgen wacht Brigitte erholt auf. Der Rücken knackt beim Versuch sich aufzurichten. „Ah, deswegen bin ich krank geschrieben!“ erinnert sich Brigitte. Der Rücken verhindert das Wohlfühlen, aber ausgeschlafen ist Sie wenigstens. Der Blick in den Kühlschrank hatte sich nicht gelohnt. Brigitte ist kein Fan von Vorratswirtschaft und Einkaufen war noch nie ihr Hobby. Mit knackendem Rücken geht das sowieso seit einigen Tagen nicht mehr so richtig. „Ich brauche Hilfe“ sagt Sie halblaut. „Ich hab noch nie Hilfe gebraucht! Naja irgendwann ist es immer das erste mal, von mir aus auch Hilfe! Aber wer könnte helfen?“ Zugegeben, soviel Auswahl hat Brigitte nicht. Ein paar Mädels aus dem Yogakurs sicherlich. Da war doch noch was oder besser, wer? Peter!
Der ist bestimmt schon auf der Arbeit. Die KTU beginnt pünktlich um halb acht ihren Dienst. Immer eine halbe Stunde den Ermittlern voraus sein! Ist die inoffizielle Lesart des Dienstplans. Um neun, nach dem Toilettengang und einer großen Tasse Kaffee, ruft sie Peter an. 9.00 Uhr, auch in Peters Welt. Er versinkt grade in heller Aufregung im schier unendlichen emotionalen Chaos. Jedes mal wenn Brigitte anruft, pocht sein Herz besonders stark. Als er aber hört, dass Brigitte ihn bittet Erledigungen für sie zu tätigen, setzt das Herz einen kurzen Moment aus. Er fragt sich selbst, ob es die gleiche oder noch genauer, die selbe Brigitte ist mit der er dort spricht, mit der er verbandelt war und irgendwie noch weiterhin ist, in deutlich abgeschwächter Intensität zwar, aber immerhin! Entweder sie hatte eine gehörige Gehirnwäsche oder sie ist verzweifelt. Peter vermutet beides, ein bisschen! Egal, entzogen hat er sich ja Brigittes Gravitation noch nicht und so kann er nicht anders, als ihren Bitten nachzukommen. Was für kulinarische Vorlieben oder Nogoes bei Brigitte bestehen, weiß er ja noch aus der gemeinsamen Zeit! Peter versichert ihr, dass der Lieferdienst bis 18.00 Uhr vollzogen ist.




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